Esra Özmen ist eine Musikerin aus Wien.
Mit andererseits spricht sie über Ungerechtigkeit, das Fremdsein in Österreich, warum sie gerne mehr Reisen würde und ihre Familie.
Worauf bist Du stolz?
Stolz hat viel mit Glück zu tun. Aber mir ist das Wort auch ein bisschen unangenehm. Ich bin stolz, dass ich nichts Negatives oder Egoistisches gemacht habe. Ich bin stolz auf mich. Deswegen würde ich sagen, ich bin sehr glücklich, dass ich ein paar gute Freund*innen habe und dass ich durch Musik eine Community gefunden habe, die mich und mein Leid versteht.
Was schätzt du an einer Freundschaft am allermeisten?
Ich finde Freundschaften im Leben sehr wichtig, weil ich glaube, ich habe nicht so ein gutes Gedächtnis. Es ist sehr wichtig, Zeug*innen von deiner Freude, deinem Leid und deinen Tagen zu haben, die du nicht vergessen willst. Für Zeugen braucht man Leute, die erinnern können, auch wenn du es vergisst. Freunde, Familie, Bekannte sind Zeugen deines Lebens. Auch wenn du manchmal vergisst, erinnern sie dich.
Wie nahe und warmherzig ist deine Familie? War deine Kindheit glücklicher als die anderer?
Ich habe sehr viel wegen dem Fremdsein in Österreich gelitten. Die Generationen vor uns haben viel gemacht, weil sie Migranten waren, und Integration wurde immer negativ gesehen, auch von unseren Eltern. Sie sagten: „Seid leise, oben wohnt ein Österreicher, sie rufen die Polizei.“ Wir mussten uns anpassen. In meiner Kindheit hatte ich immer Angst. Eine Lehrerin hat damals gesagt: „Wenn du so weitermachst, sieht deine Zukunft schwarz aus.“ Schwarze Zukunft hieß für mich im Keller oder Gefängnis sitzen.
Aber ich bin liebevoll aufgewachsen, weil meine Eltern liebevoll waren. Aber ich war auch sehr einsam. Die Kunst und die Bühnen haben mich viel offener gemacht.
Gibt es Themen, über die man keine Witze machen sollte?
Ich mache keine Witze, die jemandem wehtun könnten. Auch wenn die Person lacht, tut es tief drinnen weh. Das habe ich vom Islam mitbekommen. Im Islam sagt man, rede nicht vor einer kranken Person über gute Gesundheit oder vor einer armen Person über Reichtum. Political correctness ist eigentlich dieses sensible aufeinander Achten und Schauen, dass es dem Gegenüber gut geht. Das Einzige, was wir haben, ist, dass wir versuchen, miteinander so schön wie möglich zu leben.
Wenn du jede Person auf der Welt zum Essen einladen könntest, mit wem würdest du essen gehen?
Muhammad Ali. Er hatte viel Erfolg und hat Politik und Sport miteinander verbunden. Er hat sich geweigert, am Vietnamkrieg teilzunehmen. Er hat gesagt: : „Die Vietnamesen haben mich nicht mit dem N-Wort beschimpft, das ward ihr.“ Er wurde für fünf Jahre gesperrt. Wer von uns würde heute so etwas sagen und die Karriere riskieren? Wir sind alle ein bisschen ängstlicher. Ich auch.
Gibt es etwas, das du immer machen wolltest, aber noch nicht getan hast?
Ich würde gerne ein freier Mensch sein und reisen. Aber beim Reisen merke ich immer eine gewisse Einsamkeit. Ich mag die Betten nicht, bin zu heikel, deswegen reise ich kaum. Ich glaube, das hat mit unserer Migration zu tun. Urlaub machen oder reisen war für uns immer stressig. Wir haben das Auto für die Reise in die Heimat gepackt, und die ganze Nachbarschaft wollte uns Geschenke mitgeben. Alle weinten. Es fühlte sich immer an, als würden wir in ein Kriegsgebiet fahren. Als würden wir vielleicht nie zurückkommen.
Was wäre der perfekte Tag für dich?
Ich stehe auf, gehe ins Studio und mache Musik. Ich trinke Kaffee, oft alleine, und am Abend sehe ich Familie oder Freund*innen. Wenn ich Sport mache und Basketball spiele, bin ich zufrieden.
Die Fotos hat Stefan Fürtbauer im Juli in Wien aufgenommen.