Die Schulzeit ist für viele mit gemischten Gefühlen verbunden. Unsere Autorin Hanna Gugler hat ihre geliebt. Sie schreibt über neun Pflichtschuljahre – zwischen inklusivem Unterricht und Sonderschule.
Von Hanna Gugler und Magdalena Bauer
Meine Schulzeit war für mich das Allerschönste! Ich habe sehr viel gelernt und hatte ganz viel Spaß. Manche Dinge waren aber auch gar nicht lustig. Zum Beispiel Mathe, denn ich war so grottenschlecht und habe ständig Fehler gemacht. Deswegen habe ich es wirklich gehasst, bis heute eigentlich. Meine Schulreise begann 2004. In der Volksschule waren 20 Kinder in der 1. Klasse. Da habe ich Lesen gelernt, indem ich Buchstaben nachgezeichnet oder mit Glaskugeln nachgelegt habe. Gerechnet haben wir auch, aber das fand ich nicht so schön, weil im Rechnen bin ich nicht so gut. Schöner war es, wenn wir die Jahresuhr gesungen haben. Ich mochte auch die Projekttage und die vielen Ausflüge in das Rathaus, Kirchen und Museen. Als Klasse waren wir auch gemeinsam wandern und ich habe so viel gejammert, weil ich schon müde war. Schön war auch die Nacht, in der wir in der Schule geschlafen haben und sich unser Direktor als Geist verkleidet hat.
Meine Lieblingslehrerin war unsere Sonderpädagogin Frau Wallner, aber jetzt heißt sie Kitzler und ich war sogar auf ihrer Hochzeit. Gemeinsam haben wir in Deutsch Geschichten gelesen oder in Mathe gerechnet. Wir waren fünf Kinder mit Behinderung in der Volksschule und sie hat sich um uns alle gekümmert. Manchmal besucht sie mich auch noch zu Hause und wir schreiben uns immer Briefe oder telefonieren. Es ist immer so schön mit ihr zu reden!
Die Unterstützung von Frau Kitzler an einer Regelschule heißt offiziell Sonderpädagogische Förderung. Damit wird eine Regelschule zu einer inklusiven Schule. Das Kind wird dann nach einem anderen Lehrplan als die Mitschüler:innen unterrichtet und benotet. Das kann den ganzen Unterricht betreffen oder nur einzelne Fächer. Eigentlich kann der Sonderpädagogische Förderbedarf jederzeit beantragt werden. Aber die Schule muss auch die notwendigen Ressourcen dafür haben. Oft fehlen sie. Deswegen ist die Schulwahl für Eltern oft schwer. Im Schuljahr 2020/21 hatten etwa 30.000 Pflichtschüler:innen in Österreich einen Anspruch auf Sonderpädagogische Förderung.
Das Freund:innen finden ist leicht und manchmal schwer.
Nach der Volksschule war ich von 2008 – 2013 in der Mittelschule in Blindenmarkt. In dieser Schule habe ich auch sehr viel gelernt wie Deutsch, Mathematik, aber auch Englisch, Biologie und Werken. Außerdem hatte ich meine ersten Referate und wir hatten Kochunterricht. Das hat wirklich viel Spaß gemacht. Ich hatte zwei beste Freundinnen und wir hatten eine sehr schöne Zeit. Aber manchmal haben sie mich auch genervt und dann habe ich deswegen an einem Tag auch die Suppe im Kochunterricht versalzen. Das war leider nicht so gut. Das Freund:innen finden ist leicht und manchmal schwer.
Bildbeschreibung: „In der Küche“: Bild von Hanna auf rotem Hintergrund. Hanna trägt eine Brille, ein kariertes Hemd und eine Kochschürze. Sie steht an einer roten Kochplatte.
In Blindenmarkt war ich auch Reiten und das war so schön. Meine Zeit in der Mittelschule ist voller schöner Erinnerungen, aber nach vier Jahren musste ich mich verabschieden. Und deswegen gab es eine große Abschlussfeier in Kärnten. Wir hatten so viel Spaß in der Schule und ich habe viel gelernt und hatte auch eine schöne Zeit!
Nach der Volksschule geht es in der Regelschule entweder in die Mittelschule oder die AHS-Unterstufe. Das nennt sich die Sekundarstufe. In der Sonderschule muss dafür nicht die Schule gewechselt werden. Hanna Gugler hat sowohl die Regelschule mit inklusivem Unterricht besucht, als auch die Sonderschule. Das ist möglich, da in der Regelschule gewisse Schulwechsel notwendig sind. An diesen Schnittstellen kann also jederzeit das Schulsystem gewechselt werden. Über einen Schulwechsel entscheiden oft die Eltern gemeinsam mit ihrem Kind. Bei einem sonderpädagogischen Förderbedarf aber auch die Direktor:in einer Schule. Oft fehlt es an Personal oder Kompetenz. Zumindest wird so bei Ablehnungen argumentiert. Außerdem spielen andere Faktoren eine wichtige Rolle für die Genehmigung eines Platzes. Das kann etwa der Schulweg sein, der Wohnort oder auch Gutachten.
Wenn es keinen inklusiven Platz gibt, dann besuchen Kinder die Sonderschule. Die hat ganz viele verschiedene Lehrpläne. Das hängt vom Förderbedarf und der Beeinträchtigung ab. Der Grund dafür ist, dass jedes Kind persönlich gefördert werden soll.
In der Sonnenschule
Nach der Mittelschule ging es für mich aber noch weiter mit Schule. In der „SonnenSchule“. Das ist eine Sonderschule in Amstetten. Zwei Jahre war ich dort in einer Klasse mit fünf Leuten und zwei Lehrer:innen und einer Hilfslehrerin. Gemeinsam haben wir noch mehr Deutsch, Mathe, Englisch, Biologie und Religion gelernt. Manchmal haben wir auch Spiele auf dem Tablet oder Einkaufen gespielt. Da war ich entweder Kassiererin oder Kundin. In dieser Schule hatten wir auch Kochunterricht und diesmal sind wir sogar selbst einkaufen gegangen. Wir mussten dann hingehen, einkaufen, wieder zurückgehen und alles wegräumen, bevor gekocht werden konnte. Geburtstage wurden in der „SonnenSchule“ in Amstetten auch besonders schön gefeiert und wir haben tolle Geschenke gebastelt. Für den Muttertag hatte ich sehr schöne Geschenke deswegen und immer ganz viel Deko und zu Weihnachten einen Adventskalender. Wir haben sogar getöpfert und gefilzt und Kerzen gebastelt.
Aber wir haben in der Sonderschule auch ganz viele andere Dinge gemacht wie Lesen oder auch Turnen. Wir waren sogar schwimmen im Hallenbad. In Amstetten habe ich auch gelernt, über die Zahl 1.000 zu rechnen und da war ich sehr stolz auf mich. Wir haben auch schöne Fantasiegeschichten geschrieben, gemeinsam als Klasse eine Schatzkiste gesucht und über unsere Gefühle gelernt. Wir haben auch Dinge für den Alltag gelernt, zum Beispiel haben wir ganz genau darüber gesprochen, wie man Müll trennt. Über Sexualerziehung haben wir auch geredet und schöne Bussi Zettel mit unseren Lippen gemacht. Außerdem habe ich gelernt, wie wichtig das Wort „Nein“ sein kann und dass mein Körper mir gehört. In der „SonnenSchule“ haben wir auch ganz viel über das Berufsleben gelernt. Einmal haben wir sogar Wörter geangelt. Wie mit einer richtigen Angel haben wir einzelne Worte aus einem Karton geholt und besprochen,was die dann in der Berufswelt bedeuten können.
Bildbeschreibung: „Sexualerziehung..Mein Körper gehört mir!“ – Auf dem ersten Bild steht Hanna vor einem Spiegel im Badezimmer und sieht sich mit geöffnetem Mund an. Auf dem zweiten Bild liegen weisse Papierausschnitte auf dem Boden. Darauf sind Kussmünder.
Die „SonnenSchule“ in Amstetten ist eine Allgemeine Sonderschule. Sie dauert neun Jahre lang. Das letzte Jahr dient speziell der Berufsvorbereitung. Ziel der Sonderschule ist es, eine grundlegende Allgemeinbildung zu vermitteln. Außerdem soll der Einstieg in den Beruf ermöglicht werden, oder den Besuch einer weiterführenden Schule. Das elfte und zwölfte Schuljahr kann auch freiwillig besucht werden. Dafür muss ein Antrag bei der Bildungsdirektion gestellt werden. Dem wird nicht immer zugestimmt. . Doch ein Job oder weiterführende Schule ist für viele Menschen mit Behinderung nicht die Realität. In diesem Jahr wurden in Wien mindestens 37 Anträge abgelehnt. Das hat die Wiener Wochenzeitung Falter berichtet. Und der Schritt auf den ersten Arbeitsmarkt ist für Menschen mit Behinderungen schwierig. Die Arbeitslosigkeit ist bei Menschen mit Behinderung höher als im Durchschnitt. Manchmal stehen die Kinder dann ohne Perspektiven und ohne die Möglichkeit eine Schule zu besuchen da. Möglich ist beides, schwierig ist es trotzdem.
Wir haben auch in der SonnenSchule auch wieder eine Nacht in der Schule geschlafen und diesmal gab es keinen gruseligen Geist. Aber ganz viel Entspannung. Mit einer Klangschale und beruhigenden Geschichten und danach sind wir alle eingeschlafen. Am nächsten Tag haben wir gefrühstückt und dann sind wir alle wieder zurück in den Unterricht. Außerdem haben viele schöne Ausflüge gemacht. Einmal waren wir im Landestheater Niederösterreich in St. Pölten und haben uns Pippi Langstrumpf angesehen. Wir haben uns aber auch unsere eigenen Theaterstücke ausgedacht. Sogar in der Ars Electronica in Linz waren wir als Schulklasse. Und wir hatten Besuch aus England und den Niederlanden und dafür habe ich sogar einen Tanz aufgeführt. Meine Schulzeit war das Schönste.
Nach neun Jahren Schule war für die Autorin Hanna aber Schluss. Sie wollte unbedingt arbeiten und Geld verdienen. Sie fand einen Job in einem Bio-Lebensmittelgeschäft. Sie nennt es: Das Nudelparadies.
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