Collage: bilder von Kindern in Telefon

Alles unter Kontrolle?

27. Januar 2021

Immer mehr kleine Kinder haben ein Handy. Das hat Vorteile, aber birgt auch Gefahren - wie gehen Kinder und Eltern mit der Herausforderung um?

Immer mehr Kinder haben ein Handy. Das hat Vorteile, aber birgt auch Gefahren – wie gehen Kinder und Eltern mit der Herausforderung um?

Amelia streckt ihr Handy stolz in die Videokamera des Laptops. Es hat einen großen Bildschirm und glänzt in die Kamera. Neben ihr, auf einer kleinen Couch, sitzt ihre Mama. Sie hat lange schwarze Haare und lächelt in die Kamera. Das Gerät in Amelias Hand ist ein Thema, das beide viel beschäftigt, erzählt die Mama im Gespräch über Zoom. 

Manchmal diskutieren die beiden darüber, wie lange Amelia schon am Handy ist. Oder was sie sich anschauen darf. Denn Amelia ist acht Jahre alt und geht in die zweite Klasse einer Volksschule in Wien Simmering. Wie Amelia haben viele Kinder ein Handy. Aber lernen sie auch, wie man es benutzt? Lenkt es sie von den Schulaufgaben ab? Und machen sich die Eltern Sorgen, wenn sie zu viel auf ihr Handy schauen? 

Ganz ohne Regeln darf Amelia das Handy noch nicht benutzen

Ganz ohne Regeln darf Amelia das Handy noch nicht benutzen, erzählt sie. Ihre Mama hat sie aufgestellt, denn sie macht sich sehr große Sorgen. Das Handy hat sie bekommen, damit sie im Notfall Hilfe holen kann. Und damit sie ihren Papa anrufen kann. Oder ihre Freunde. Und sie geht damit ins Internet. Aber am Abend überprüft ihre Mama die Seiten, die sich Amelia am Handy angeschaut hat. “Und was nicht gut ist, das besprechen wir dann”, sagt ihre Mama. Manche Seiten mag Amelias Mama nicht. Wenn da Gewalt zu sehen ist zum Beispiel. Gewalt ist wenn Menschen sich schlagen oder wenn sie sich beschimpfen. Dann blockiert ihre Mama die Seite im Internet, damit Amelia sie nicht mehr anschauen kann. 

Dass es Regeln gibt, findet der Arzt Roland Mader wichtig. Denn immer mehr Kinder haben schon im Volksschulalter ein Handy. Und die meisten nutzen fast jeden Tag digitale Medien. Das heißt, sie schauen auf den Computer, ein Tablet oder den Fernseher. Der Arzt sagt, dass schon sehr viele Volksschulkinder ein Handy haben. Und ab 12 Jahren haben dann wirklich fast alle Kinder ein Handy. Manche schauen auch zu viel auf das Handy. Aber nicht alle.

Er findet es muss Regeln geben für das Handy bei Kindern. Seine drei wichtigsten sind:


Regel 1: Kein Handy beim Essen.

Regel 2: Kein Handy im Schlafzimmer.

Regel 3: Nicht zu lange am Handy sein. 

Wenn es am Abend dunkel wird, sagt Amelias Mama, dass sie ihr Handy weggeben muss. Aber erst spät, ab 19 Uhr. Sie darf es in ihrem Kinderzimmer nicht mehr benutzen. 

Nach der Schule darf sie ihr Handy erst dann wieder haben, wenn sie ihre Hausaufgaben gemacht hat. Und wenn sie etwas gelesen und Wörter gelernt hat. Das sind die Regeln, damit sich ihre Mama ein bisschen weniger Sorgen macht. 

Was passiert wenn man die Regeln nicht befolgt? Schlechte Schüler werden noch schlechter, sagt der Arzt. Oder die Kinder schlafen nicht mehr gut. Sie können davon auch krank werden. Ihre Augen tun dann weh oder sie kriegen Kopfweh und werden ganz unruhig. Zum Beispiel können sie nicht mehr ruhig sitzen. Kinder dürfen schon ein paar Minuten auf ihr Handy schauen, sagt Mader. Aber zu lange ist schlecht. Er schätzt, dass von zehn Kindern eins zu viel auf das Handy schaut. Dann kann es krank werden. Und wenn man lieber auf das Handy schaut als Freunde zu treffen oder ein Hobby zu haben, dann ist das sehr schlecht, sagt der Arzt. Wenn man sich immer mehr zurückzieht und wenn man nicht mehr aufhören kann, dann kann man sagen, dass man süchtig ist.

Die anderen Kinder petzen. Weil die kein eigenes Handy haben.

Der Ort, an dem Kinder sehr viel Zeit verbringen, ist die Schule. Die Eltern passen da nicht auf sie auf. Sie können in der Schule keine Regeln machen und nicht kontrollieren wie viel ihre Kinder auf das Handy schauen. 

Julia ist Lehrerin an einer Volksschule. Sie ist jung und lacht viel und ist sehr fröhlich. Sie sitzt vor der Kamera ihres Laptops. Im Hintergrund sieht man ihren offenen Kleiderschrank, voll mit bunten Klamotten. Über Zoom erzählt sie, wie in der Schule mit dem Handy umgegangen wird. Sie unterrichtet eine zweite Klasse. Da sind die Kinder sieben oder acht Jahre alt. In ihrer Klasse hat nur ein Kind ein Handy. Und fünf Kinder haben Uhren, die wie Handys sind. Da können sie ihre Nachrichten lesen. 

Aber in der Schule dürfen Kinder keine Handys haben, erzählt die Lehrerin. Wenn sie morgens in die Schule kommen, dann gehen sie als erstes in die Garderobe. Da hängen sie ihre Jacken auf, legen ihre Mützen und Schals ab. Auch ihre Handys müssen sie in den Jackentaschen lassen. Erst dann gehen sie über die langen Gänge in ihre Klassenzimmer. 

Aber schauen die Kinder in den Pausen heimlich auf das Handy? Julia lacht fröhlich und sagt ja. Aber: Die anderen Kinder petzen. Weil sie kein eigenes Handy haben. Vielleicht sind sie neidisch. Dann schimpfen die Lehrer*innen. Aber Julia findet, Handys können auch gut sein. Es gibt ja auch die Lernapps. Das sind Programme, mit denen Kinder auch etwas lernen können. Zum Beispiel über den menschlichen Körper oder die Erde oder Pflanzen oder Tiere. 

Amelia erzählt, dass nicht alle gut mit ihrem Handy umgehen. Dass ihre Freundinnen sehr viel am Handy sind.

Die Lehrerin Julia sagt, dass die Kinder in der Schule wenig über das Handy lernen. Erst in der vierten Klasse lernen sie, wie man das Internet benutzt. Da sind viele Kinder schon neun Jahre alt. Doch das muss nicht so sein. Die Lehrer*innen können auch selbst entscheiden, ob sie den Kindern etwas über das Handy beibringen. Julia will auch den kleinen Kindern etwas über das Handy beibringen. Aber erst, wenn sie danach fragen. Denn die Lehrerin findet es wichtig, dass die Kinder sich selbst dafür interessieren.

Wenn Amelia und ihre Mama auf der Couch im Wohnzimmer über Amelias Handy reden, sagt ihre Mama: “Es ist ein sehr schwieriges Thema”. Auf der einen Seite sei es gut, dass Amelia jetzt selbstständig telefonieren kann. Aber Amelia erzählt, dass nicht alle gut mit ihrem Handy umgehen. Dass ihre Freundinnen sehr viel am Handy sind. Viel mehr als sie. Auch wenn sie sich gemeinsam treffen. „Die sind manchmal aggressiv und ein bisschen aufgeregt, wenn sie ihr Handy nicht haben“, sagt Amelia. Weil sie ein bisschen zu viel auf das Handy schauen. Sie geben ihr Handy auch nicht freiwillig ihren Eltern und schauen heimlich darauf.

Das ist schlecht, sagt der Arzt Mader. Er sagt, fünf Minuten zwischendurch sind immer okay. Insgesamt können Kinder im Volksschulalter am Tag bis zu zwei Stunden auf das Handy schauen. Erst wenn es mehr wird, können Kinder krank werden. Besonders aufpassen sollte man, wenn Kinder bei ihren Freund*innen immer nur auf das Handy schauen.

Amelias Mama macht sich Sorgen, wenn Amelia viel auf ihr Handy schaut und deswegen fände sie es gut, wenn Amelia in der Schule mehr über das Handy lernt. Denn bisher hat sie noch keine Schulstunde dazu gehabt. Ihre Mama versucht ihr beizubringen, wie man das Handy sicher benutzt. Und solange sie sich nicht sicher ist, kontrolliert sie nun mal die Seiten, die Amelia besucht. Sie sagt, so macht sie sich wenigstens ein bisschen weniger Sorgen.

Text: Matthias Porak unterstützt von Lisa Kreutzer

Grafik: Moritz Wildberger

Redaktionelle Bearbeitung: Katharina Kropshofer, Kathi Brunner, Clara Porak