Sebastian Gruber auf seinem Dreirad.

Auf drei Reifen durch die Stadt

10. September 2020

Mit seinem speziell angefertigten Dreirad fährt unser Autor Sebastian Gruber nur ungern durch Wien. Sein Erfahrungsbericht zeigt warum.

Dieser Artikel ist ursprünglich in der Ausgabe 03/20 von „Drahtesel. Das österreichische Fahrradmagazin“ erschienen.

Ich habe eine Renndreirad. Es sieht aus wie ein normales Rennrad, hat aber zwei Hinterräder und einem Gepäckträger mit Seitentaschen. Den dritten Reifen brauche ich wegen meiner Motorik. Mit einem normalen Rad würde ich umfallen. 

Ich liebe Rennradfahren weil man so viel weiter fahren kann. Von Krems nach Wien zum Beispiel, oder von Wien nach Bratislava. Auch in meiner Reha, die ich einmal im Jahr machen muss, kann ich mit dem Rennrad sehr viel erkunden und leichter Berge und Hügel bewältigen. 

Doch durch Wien zu fahren, bereitet mir auch immer einige Probleme. Ich habe mir deshalb eine Route überlegt, um die Stadt auf Barrierefreiheit zu überprüfen. Barrierefreiheit für besondere Fahrräder wie meines. Aber auch für Lastenräder, Handbikes oder andere breitere Fahrräder.

Wir starten bei der Praterbrücke. Sobald ich von der Brücke hinunter fahre gibt es sehr viele Sträucher, Pflanzen und Kurven. Dann, kurz bevor man durch einen Tunnel zum Prater fährt, ist da plötzlich eine sehr gefährliche, abfallende Stelle. Hier muss man als Dreiradfahrer dreifach aufpassen: Ich darf nicht in den Gegenverkehr fahren, muss mich gegen die Steigung lehnen, um nicht umzukippen und sowohl nach hinten, als auch nach vorne schauen. Hier umzufallen kann sehr schlimme Folgen haben. Eine geradere Abfahrt wäre nicht nur einfacher und sicherer für mich, sondern für alle Beteiligten.

Enge Kurven und Kopfsteinpflaster

WIEN, ÖSTERREICH – JULI 20, 2020: Sebastian Gruber am Radweg / Rampe vom Erdberger Steg © Stefan Fürtbauer für andererseits

Wir fahren weiter entlang des Donaukanals zum Erdberger Steg. Hier, auf der Seite des dritten Bezirks ist eine weitere Gefahrenstelle: Zufußgehende wollen von der Brücke über den Zebrastreifen, Radfahrende – normale und auch Drei- oder Lastenradfahrer – die von Erdberg Richtung Urania fahren, müssen zwingend über den Steg, weil es unter der Brücke keinen Radweg gibt. Will man vor Brücke abbiegen, muss man extrem aufpassen, um in der viel zu engen Kurve nicht zu kippen oder mit Zufußgehenden zusammenzustoßen, die gerade Grün haben. Alles in allem: Ein sehr großes Chaos.

Dazu kommt, dass der Bodenbelag aus Pflastersteine besteht. Asphalt wäre für alle Radfahrende besser. Und ich muss ganz besonders aufpassen, dass meine beiden Hinterreifen nicht hängen bleiben.  

Ungefähr zehn Kilometer sind schon hinter uns und wir nähern uns dem Zentrum Wiens. Am Donaukanal wird der Verkehr immer dichter. Hier gibt es ein paar enge, riskante Stellen und auch Brückendurchfahrten, die zu niedrig und zu schmal für mein Rad sind – etwa die Bahnbrücke oder die Franzensbrücke.

Ein paar hundert Meter weiter wollen wir die Kreuzung bei der Urania Richtung Ring überqueren. Zuerst muss man über die erste Ampel zu einer sehr kleinen und engen Zwischeninsel, um dann bei einer anderen Ampelphase endlich auf die andere Seite zu gelangen. Am Ring teilen sich viele Radfahrende, Zufußgehende und E-Rollerfahrende denselben Weg. Das macht diese Strecke schmal und gefährlich. An manchen Stücken bin ich gezwungen, auf der Straße zu fahren, auf der der Radfahrstreifen sehr schmal ist. Etwa beim Schwarzenbergplatz, oder auf dem Opernring. Meine Hinterräder ragen sehr oft über die weiße Linie auf dem Boden. Das ist sehr nervig.

Dazu kommt, dass die Wegführung oft verwirrend ist. Immer wieder gibt es kleine Rampen. Kippgefahr! Deshalb frage ich mich, ob man die Radwege hier nicht breiter machen könnte oder den Autofahrstreifen anders machen könnte.

Über den Gürteil, rein ins Chaos

WIEN, ÖSTERREICH – JULI 20, 2020: Sebastian Gruber am Radstreifen äußere Mariahilfer Straße © Stefan Fürtbauer für andererseits

Unsere Testfahrt geht weiter über die Mariahilfer Straße. Die Straße ist sehr breit und es ist gibt wenige Autos, also geht die Fahrt relativ gut voran. Aber da ist ein Problem: Es gibt so viele Leute auf der Mariahilfer Straße, dass man einfach nicht weiterkommt. Egal ob mit zwei oder drei Reifen. Vielleicht wäre ein separater Radstreifen eine Lösung. Bis zum Westbahnhof gibt es keine großen Probleme mehr.

Doch dann überqueren wir den Gürtel. Alles, was man als Fahrradfahrer vermeiden will, kommt plötzlich zusammen: Ich muss auf der Straße fahren, der Fahrradstreifen ist so schmal, dass die Autos oft darauf fahren. Für Dreiräder ist die Strecke phasenweise fast unmöglich zu befahren. Ganz zu schweigen von den Straßenbahnkreuzungen. 

Wir sind jetzt 23 Kilometer geradelt und wollen kurz rasten. Dabei zeigt sich: Besonders für Dreiräder gibt es wenige Möglichkeiten, das Fahrrad sicher abzusperren.

Während wir uns kurz entspannen, denke ich über die Strecke nach. Alles in allem ist es sehr anstrengend durch Wien zu fahren. Ich kann mich nicht genauso bewegen wie andere Radfahrende. Oft meide ich es deshalb auch, mit dem Rad durch die Stadt zu fahren. Eigentlich schade, denn stark genug dafür fühle ich mich.

Text: Sebastian Gruber, unterstützt von Katharina Kropshofer

Photos: Stefan Fürtbauer

Hier könnt ihr die ganze Route virtuell „mitfahren“:

https://youtu.be/rQV5gW0DSSA