Wie der Staat die eigenen Regeln bricht

Staatliche Arbeit-Geber*innen halten sich oft nicht an Gesetze für Inklusion – sondern kaufen sich frei.
Eine Illustration. Eine schwarze Figur rennt, während sie einen Banktürm-Helm trägt. Sie kickt einen Rollstuhl. Der Hintergrund ist orange.

Wie ernst nimmt es der Staat mit Inklusion in den eigenen Reihen? Um das herauszufinden, haben wir über 50 Ministerien in allen Bundes-Ländern angefragt. Die Antworten zeigen: Staatliche Arbeit-Geber setzen ihre eigenen Gesetze für mehr Inklusion nicht immer um – sondern kaufen sich oft frei. Vor allem in der Schule und bei der Polizei arbeiten kaum Menschen mit Behinderung.

Wenn Pia Leitner von ihrem Beruf als Sprachförder-Lehrerin erzählt, merkt man ihr den Frust schnell an. Sie berichtet von ihrer Schul-Leiterin, die ihr keine Entlastung gönnt, von Kolleg*innen, die sich nicht für ihre Erkrankung interessieren und vom zuständigen Ministerium, das sie trotz ihrer Einschränkungen zunächst an einer weit entfernten Schule einsetzen wollte.

Pia Leitner hat Multiple Sklerose, eine Erkrankung des Nerven-Systems. Pia Leitner heißt eigentlich anders. Sie möchte anonym von ihrem Beruf erzählen, dem sie täglich im Auftrag des Staates nachgeht. Und in dem, so scheint es, auf ihre Einschränkung kaum Rücksicht genommen wird.

Es ist ein Grund dafür, dass es wenige Lehrer*innen mit Behinderungen gibt. Doch das Problem ist größer. Es betrifft nicht nur Schulen, sondern viele Bereiche im Staat. Dieser sollte als Arbeitgeber eigentlich ein Vorbild sein. Für ihn arbeiten immerhin über 5 Millionen Menschen – aber zu wenige mit Behinderungen. Denn in Deutschland müssen alle Arbeit-Geber mit mehr als 20 Arbeits-Plätzen Menschen mit Behinderungen anstellen.

Diese Pflicht heißt Beschäftigungs-Pflicht. Sie besagt: Arbeit-Geber*innen müssen einen von 20 Arbeits-Plätzen an Menschen mit einer so genannten Schwer-Behinderung vergeben.

Was bedeutet Schwer-Behinderung”?

„Schwer-Behinderung” ist ein Begriff aus deutschen Gesetzen. Behinderungen sind sehr unterschiedlich. Je nach Beeinträchtigung legt ein Amt einen Grad der Behinderung fest. Ab einem Grad der Behinderung von 50 gelten Personen als „schwer-behindert”, ab 30 können sie als „gleichgestellt” gelten.


Menschen mit Schwer-Behinderung und Gleichgestellte haben Rechte wie die Anpassung von ihrem Arbeits-Platz nach ihren Bedürfnissen. Aber: Der Begriff „Schwer-Behinderung” wird auch kritisch gesehen. Viele Betroffene sagen: Nicht meine Behinderung ist schwer, sondern meine Teilhabe wird mir durch Barrieren schwer gemacht.

 

Wir verwenden den Begriff „Schwer-Behinderung” trotzdem an manchen Stellen: Dort, wo er wichtig ist, weil es um Gesetze geht, die für schwerbehinderte Menschen gelten. 

Wie gut Arbeit-Geber*innen ihre Beschäftigungs-Pflicht erfüllen, misst die Beschäftigungs-Quote. Sie soll zumindest fünf Prozent betragen. Auch der Staat muss als Arbeit-Geber die Beschäftigungs-Pflicht erfüllen – das tut er insgesamt auch besser als die private Wirtschaft.

Aber nicht überall. Nur etwa drei von fünf der öffentlichen Arbeit-Geber*innen erfüllen die Beschäftigungs-Pflicht. Besonders große staatliche Arbeit-Geber*innen sind die Bundes-Länder. Jedes Bundes-Land hat verschiedene Ministerien, die wiederum viele Menschen beschäftigen. Wir haben alle Bundes-Länder gefragt, ob sie die Beschäftigungs-Pflicht erfüllen. Sie haben uns ihre aktuellen Zahlen geschickt. Sie sind, je nach Bundes-Land, aus dem Jahr 2022 oder 2023. 

Fünf Bundes-Länder missachten ihre Pflicht zur Inklusion

Von den 16 Bundes-Ländern erfüllen fünf die gesetzliche Beschäftigungs-Pflicht nicht. Die Bundes-Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein beschäftigen weniger Menschen mit Schwer-Behinderung als sie laut Gesetz müssten. Die schlechteste Beschäftigungs-Quote hat das Bundes-Land Baden-Württemberg mit 3,99 Prozent. Die beste Beschäftigungs-Quote hat das Bundes-Land Berlin mit 6,7 Prozent.

Reichen ein paar inklusive Ministerien?

Dabei hätten es die Bundes-Länder leichter als viele andere Arbeit-Geber*innen, die Beschäftigungs-Pflicht zu erfüllen. Denn in jedem Bundesland zählen alle Ministerien zusammen als ein Arbeit-Geber. In Bayern zum Beispiel zählen die zwölf Ministerien, das Landtags-Amt, die Staats-Kanzlei und der Oberste Rechnungs-Hof zusammen als ein Arbeit-Geber. So hat Bayern 2022 die Beschäftigungs-Pflicht mit 5,38 Prozent knapp erfüllt. Das Land Bayern ist mit mehr als 350 Tausend Arbeits-Plätzen der größte Arbeit-Geber im Bundes-Land.

Das bedeutet: Einzelne Ministerien und Behörden, die ihrer Pflicht selbst nicht ausreichend nachkommen, müssen sich nicht um mehr Inklusion bemühen. Zumindest dann nicht, wenn andere ihre schlechten Zahlen ausgleichen. 

Ein Beispiel: In Bayern gibt es zwei Ministerien, die seit mehr als 20 Jahren zu wenige Menschen mit Schwer-Behinderung einstellen: Das Ministerium für Bildung und das Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Beide haben auch 2022 nur knapp 4 Prozent Beschäftigungs-Quote erreicht.  Aber sie können sich darauf verlassen, dass andere Ministerien die Quote hochhalten. Zum Beispiel das Ministerium für Familie, Arbeit und Soziales mit einer Quote von 12,68 Prozent. Dass einige Ministerien die schlechten Zahlen von anderen Ministerien ausgleichen, passiert nach unseren Recherchen in vielen Bundesländern.

Werkstatt-Aufträge statt Arbeitsplätze 

Wenn Arbeit-Geber*innen wie die Bundes-Länder die Beschäftigungs-Pflicht nicht erfüllen, müssen sie dafür Geld bezahlen. Die Zahlung nennt sich Ausgleichs-Abgabe. Die Ausgleichs-Abgabe muss pro unbesetztem Arbeits-Platz bezahlt werden. Anstatt mehr Menschen mit Behinderungen einzustellen, zahlen viele Arbeit-Geber*innen lieber die Ausgleichs-Abgabe.

Noch dazu gibt es eine Möglichkeit, die Zahlung zu umgehen: Sie können Ausgleichs-Abgabe sparen, wenn sie Aufträge an Werkstätten für Menschen mit Behinderungen vergeben. Sie können sich also von ihrer Pflicht zur Inklusion freikaufen. 

Der kostenlose Newsletter für alle, die Behinderung besser verstehen wollen!

Das Bundes-Land Rheinland-Pfalz hat 2023 nur eine Beschäftigungs-Quote von 4,82 Prozent erreicht. Dafür hätte es rund 289 Tausend Euro Ausgleichs-Abgabe zahlen müssen. Stattdessen hat das Bundes-Land so viele Werkstatt-Aufträge vergeben, dass es null Euro zahlen musste. Allein das Bildungs-Ministerium gab mehr als zwei Millionen Euro aus.

Baden-Württemberg ist das Bundes-Land mit der schlechtesten Beschäftigungs-Quote. Es musste 2022 über vier Millionen Euro Ausgleichs-Abgabe zahlen. Doch durch Aufträge an Werk-Stätten konnte das Land sich etwa 134 Tausend Euro davon sparen.

Das Justiz-Ministerium in Baden-Württemberg kaufte zum Beispiel Stempel, Besen, Mikrofaser-Tücher und Spül- und Toiletten-Bürsten von Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Allein für die Spül- und Toiletten-Bürsten zahlte das Ministerium mehr als zwei Tausend Euro.

Im Gesetz steht: Wenn Behörden die Wahl haben, sollen sie Aufträge an Werkstätten vergeben statt an Firmen. 

Doch Werkstätten sind keine Orte für echte Inklusion in den Arbeits-Markt: Menschen mit Behinderungen arbeiten dort getrennt von Menschen ohne Behinderungen. Sie bekommen nur ein geringes Taschen-Geld statt einen Mindest-Lohn. Übergänge von der Werkstatt in eine Anstellung passieren kaum – auch weil Arbeitgeber*innen sich mit Aufträgen an sie von der Pflicht zur Inklusion freikaufen können. Das Bundes-Sozial-Ministerium will deshalb die Möglichkeit abschaffen, mit Aufträgen an Werkstätten Ausgleichs-Abgabe zu sparen. 

Die Problem-Ministerien 

Viele Bundes-Länder erfüllen insgesamt die Beschäftigungs-Pflicht. Aber ein genauerer Blick auf die Zahlen zeigt: Meistens gibt es mindestens zwei Ministerien, die zu wenige Menschen mit Behinderung einstellen. Das sind in fast allen Bundes-Ländern die gleichen: Elf Bildungs-Ministerien und neun Innen-Ministerien haben nicht genug Menschen mit Behinderungen angestellt.

Das liegt vor allem an zwei riesigen Berufsgruppen, die für diese Ministerien arbeiten: Lehrer*innen und Polizist*innen. Bei diesen Berufen sind die Zahlen sogar noch schlechter.

Die Beschäftigungs-Pflicht schreibt nicht vor, pro Berufs-Gruppe eine bestimmte Anzahl an Menschen mit Behinderungen anzustellen. Es geht um die Gesamt-Zahl der Beschäftigten. Ein Beispiel: Ein Innen-Ministerium stellt Polizist*innen, aber auch Mitarbeiter*innen im Büro an. Wenn es viele Büro-Mitarbeiter*innen mit Behinderungen anstellt, muss es weniger Polizist*innen mit Behinderungen  anstellen. Aber ist es Inklusion, wenn Menschen mit Behinderungen nur in Büros Job-Chancen haben? Oder sollten sie auch als Polizist*innen arbeiten können?

Barrieren im Polizeidienst

Um herauszufinden, wie viele Polizist*innen mit Behinderungen es gibt, haben wir alle deutschen Innen-Ministerien angefragt. Sie sind für die Polizei zuständig. Elf haben eindeutige Angaben gemacht. Laut ihnen leben nach unseren Berechnungen etwa zwei von hundert Polizist*innen mit einer Behinderung.

Warum sind es nicht mehr? Die Hälfte aller Innen-Ministerien erklärt das mit der Polizei-Dienst-Vorschrift. In ihr steht: Polizist*innen müssen „zu jeder Zeit an jedem Ort” arbeiten können. Um Polizist*in zu werden, müssen alle Bewerber*innen Tests bestehen. Zum Beispiel gibt es Messungen der Lauf-Geschwindigkeit und der Konzentration, Rechen-Aufgaben und Hör- und Sehtests. Viele Innen-Ministerien sagen, Menschen mit Behinderung können diese Tests „in der Regel“ nicht bestehen.

Anders ist das, wenn Polizist*innen irgendwann nach ihrem Start im Job eine Behinderung bekommen. Dann können sie weiter in einem Bereich der Polizei arbeiten, der zu ihnen passt. „Leidens-gerechte Arbeits-Plätze”, nennt das Innen-Ministerium von Schleswig-Holstein das. Eine Wort-Wahl, die zeigt, wie veraltet das Bild von Behinderungen in manchen Behörden ist. Denn: Mit einer Behinderung zu leben bedeutet nicht automatisch zu leiden.

Das bedeutet: Wenn sich Menschen mit Behinderungen als Polizist*in bewerben, können sie oft wegen ihrer Behinderung nicht Polizist*innen werden. Wenn sie die Behinderung später bekommen, ist die Behinderung nicht automatisch ein Grund, ihren Arbeits-Platz zu verlieren. 

Die Innen-Ministerien könnten die wenigen Stellen für Polizist*innen mit mehr Arbeits-Plätzen im Büro ausgleichen. Aber nur sieben Innen-Ministerien haben insgesamt die Beschäftigungs-Pflicht erfüllt.

Auch bei den Innen-Ministerien gibt es oft Werkstatt-Aufträge anstatt Stellen für Menschen mit Behinderungen. Etwa beim Innen-Ministerium in Sachsen-Anhalt, das die Beschäftigungs-Pflicht nicht erfüllt hat. Werkstatt-Beschäftigte erledigten für das Ministerium unter anderem Wäsche, Akten-Vernichtung und Archiv-Arbeiten.

Barrieren im Schuldienst 

Auch in den Bildungs-Ministerien werden viele Aufträge an Werkstätten vergeben: Beschäftigte mit Behinderungen kochen für sie Mittagessen, erledigen Druck-Aufträge und stellen Geschirr-Tücher, Wäsche-Klammern und Kugel-Schreiber her.

Gleichzeitig gaben nur fünf Bildungs-Ministerien an, die Beschäftigungs-Pflicht zu erfüllen. Bei den Bildungs-Ministerin sind auch die Lehrer*innen an öffentlichen Schulen beschäftigt – über die Barrieren im Schul-System liest du weiter unten einen Erfahrungs-Bericht und auch in diesem Text.

Besonders viel Geld hat das Bildungs-Ministerium Rheinland-Pfalz für Werkstatt-Aufträge ausgegeben: Über 2 Millionen Euro. Mit dem Geld haben sie sogenannte Klima-Koffer bestellt. Die sind für den Unterricht und sollen spielerisch den Klima-Wandel erklären.

Doch der Staat wird dringend mehr Menschen brauchen, die für ihn arbeiten. Denn: Bis 2030 gehen etwa 1,3 Millionen Mitarbeiter*innen des Staates in Rente. Mehr Jobs für Menschen mit Behinderungen wären nicht nur die Betroffenen wichtig – sondern auch für den Staat selbst.

Wie geht es Menschen mit Behinderungen, die im öffentlichen Dienst arbeiten?

Portraitfoto. Ein junger, muskulöser Mann mit Bart lächelt in die Kamera. Er trägt ein weißes T-shirt

 Alexander Butz (41) ist Polizist in Baden-Württemberg. Seit 2022 ist er dort auch Schwer-Behinderten-Vertreter.

„Ich habe 2001 meine Ausbildung bei der Polizei angefangen. Nach der Ausbildung habe ich in einer Einheit für Beweis-Sicherung und Festnahmen und danach im Streifen-Dienst gearbeitet. 2009 hatte ich einen schweren Motorrad-Unfall. Später wurde mein linker Unterschenkel amputiert.

Das hatte schwere Folgen: Denn als  Polizeibeamter, dem ein Gliedmaß fehlt, zählt man oft als polizeidienst-untauglich. Es gibt eine Vorschrift, in der steht: Wenn Veränderungen von Knochen ihre Funktion einschränken, soll man grundsätzlich nicht Polizist werden können. Ich konnte trotzdem Polizist bleiben.

Seitdem bin ich wohl der erste Polizei-Beamte in Deutschland, der mit Unterschenkel-Prothese uneingeschränkt polizeidienst-tauglich ist. Das heißt, dass ich überall eingesetzt werden kann. Ich habe mit Prothese bei der Rauschgift-Fahndung, beim Notruf, im Streifen-Dienst, bei der Hunde-Staffel und bei der Wasserschutz-Polizei gearbeitet.

„Inklusion, wie man sie sich wünscht”

Hätte mir das jemand vor meinem Unfall erzählt, hätte ich das nicht geglaubt. Meine Kolleg*innen und Vorgesetzte haben das ermöglicht. So ein Mensch möchte ich für andere auch sein. Als Schwer-Behinderten-Vertreter ist es Teil meiner Aufgabe, zum Beispiel die Perspektive von Führungs-Kräften zu erweitern. Denn einerseits hat die Polizei ein breites Angebot von Einsatz-Möglichkeiten und andererseits gibt es viele verschiedene Arten von Behinderungen. Es ist ein gutes Signal, wenn jemand wie ich mit anerkannter Schwer-Behinderung im aktiven Polizei-Dienst tätig sein kann. Das ist Inklusion, wie man sie sich wünscht.“ 

Du glaubst an unsere Vision von inklusivem Journalismus? Dann unterstütze uns mit einem Abo!

Pia Leitner

Pia Leitner arbeitet als Sprach-Förder-Lehrerin an einer staatlichen Grund-Schule. Sie hat Multiple Sklerose. Von ihrer Schul-Leitung und ihren Kolleg*innen erhält sie kaum Unterstützung. Weil sie anonym bleiben möchte, haben wir ihren Namen geändert.

„Die Symptome meiner Erkrankung sind vielfältig: Ich habe zum Beispiel Probleme mit den Augen und eine Blasen-Störung. Außerdem fehlt mir Kraft in den Händen und Beinen. Meine rechte Hand ist wie gelähmt. Ich kann nur 500 Meter gehen, ohne eine Pause zu machen. Ich habe Schwindel, Konzentrations-Schwierigkeiten und bin viel schneller erschöpft als gesunde Menschen.

Ich habe einen Grad der Behinderung von 60 und arbeite Teilzeit als Sprach-Förder-Lehrerin. Der Staat ist mein Arbeit-Geber. Durch meine Erkrankung erhalte ich einen Ausgleich von einer Wochen-Stunde, die ich nicht arbeiten muss, die mir aber trotzdem bezahlt wird. Das ist nicht viel, aber für mich macht es einen Unterschied. Vier Schul-Stunden am Tag sind das Maximum, das mein Körper mitmacht. 

„Niemand hat gefragt, was ich an Unterstützung brauche.”

Die meisten Kolleg*innen wissen von meiner Erkrankung, aber interessieren sich kaum dafür. Viele sagen nur, dass man es mir ja nicht ansehe. Ich kenne das: Die Leute sind in der Regel überfordert und fragen nicht nach.

Leider berücksichtigen nicht nur meine Kolleg*innen, sondern auch die Schul-Leitung und das Ministerium meine Behinderung kaum. Das ging bereits bei meiner Einstellung los. Ich habe mich mit der Behinderung beworben.

Niemand hat gefragt, was ich an Unterstützung brauche. Das Ministerium setzte mich zunächst an einer Schule ein, die 30 Kilometer von mir entfernt liegt. Ich hatte angegeben, dass ich nah an meinem Zuhause arbeiten muss, weil ich aufgrund meiner Erkrankung nicht immer Auto fahren kann. Ich protestierte und kam an die Schule, an der ich jetzt arbeite. 

„Du bist dazu verpflichtet”

Gleiches gilt für meine Schul-Leiterin. Sie verlangt von mir die gleiche Arbeit wie von den anderen Kolleg*innen. Ich mache zum Beispiel Pausen-Aufsicht.

Da muss ich lange stehen und kann mich kaum hinsetzen. Ich nehme an Konferenzen teil, die einen ganzen Vollzeit-Arbeitstag lang dauern. Bei einer Veranstaltung, die den ganzen Tag dauerte, fragte ich die Schul-Leitung, ob man mich entlasten könnte. Meine reguläre Arbeits-Zeit war überschritten. Da hieß es nur, dass ich dazu verpflichtet sei, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen.

Für mich ist die Situation psychisch und körperlich belastend. Ich bin enttäuscht, dass meine Behinderung kaum berücksichtigt wird, weil man sie mir auf den ersten Blick nicht ansieht. Ich bekommen keine Entlastung. Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme zu meinen Kindern, habe ich oft keine Energie mehr.”

Geschrieben Von

Emilia Garbsch,

Cristina Helberg

Redaktion

Lisa Kreutzer

und von

Saskia Papenthin, Leonie Schüler, Finn Starken 

Foto von

Anton Hamacher

Zeichnung von

Lisa-Marie Lehner