Bundes-Tags-Wahl: Welche Pläne haben die Parteien für Inklusion?

Politik geht alle an. Aber wird Politik für alle gemacht? Wir haben geschaut, was in den Partei-Programmen zur deutschen Bundes-Tags-Wahl zu Inklusion steht.
Die Illustration zeigt eine spiralförmige Papierrolle mit Text, aus der verschiedene Gegenstände wie Schulsachen, Werkzeuge und Münzen herausfliegen. Oben rechts sind Symbole für Barrierefreiheit zu sehen: ein Finger, der auf Braille-Schrift zeigt, ein Auge, ein Ohr, ein Lautsprechersymbol und ein Buch. Das Bild verbindet die Themen Lernen, Arbeit und Inklusion.

“Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden”, das steht im Grundgesetz. Im Grundgesetz sind die wichtigsten Regeln für unser Zusammen-Leben aufgeschrieben. Menschen mit Behinderungen wissen, dass sich an diese Regel aber nicht alle halten. Behinderte Menschen werden oft benachteiligt: Zum Beispiel in der Schule, am Arbeitsplatz, bei der Ärztin. Das ist in Deutschland, in Österreich und überall auf der Welt so. 

Aber Politik kann das verändern. Deshalb ist die deutsche Bundes-Tags-Wahl am 23. Februar so wichtig. Bei der Bundes-Tags-Wahl werden Politiker*innen für den Bundestag gewählt.  Der Bundestag ist ein Gebäude in Berlin, in dem gewählte Politiker*innen arbeiten. Dort arbeiten sie zum Beispiel an Gesetzen, die für alle gelten. Bei den Gesetzen soll es auch um die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen gehen.

 

Aber setzen sich die Parteien auch für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ein? 

Um das herauszufinden, hat andererseits die Wahl-Programme gelesen. Es gibt sehr viele Parteien in Deutschland. Wir haben uns die Programme von den Parteien angeschaut, die eine Chance haben, mit genug Stimmen in den Bundestag gewählt zu werden. Nicht alle wollen etwas für Inklusion machen. Es gibt auch Politiker*innen, die etwas gegen Inklusion machen wollen. Deshalb ist es wichtig, sich zu informieren.

Aber: Nicht alle können sich gleich gut informieren. Es gibt nämlich nicht alle Wahl-Programme in Leichter Sprache. Nur die CDU/CSU, die SPD, die Grünen und die Linken haben Wahl-Programme in Leichter Sprache.

Die AfD und das BSW haben kein Wahl-Programm in Leichter Sprache. Welche Parteien ihr Programm auch in Leichter Sprache zugänglich machen, ist ein erster Hinweis darauf, wer sich für Inklusion einsetzt und wer nicht. Wenn man von Menschen mit Behinderungen nicht verstanden werden will, sind sie den Parteien scheinbar auch nicht so wichtig.

Wichtig ist auch, wie die Parteien über Menschen mit Behinderung schreiben. Viele betroffene Menschen sagen:  Wir wollen “Menschen mit Behinderungen” oder “behinderte Menschen” genannt werden. Die AfD aber schreibt konsequent von “Behinderten”. Eine Bezeichnung, die viele Menschen mit Behinderungen ablehnen, weil die Behinderung im Mittelpunkt steht und nicht der Mensch.

Aber was wollen die Parteien für Inklusion machen? Wir haben ihre Forderungen zu den Themen Bildung, Arbeit und Barrierefreiheit gesammelt. 

1. Bildung: Getrennt oder gemeinsam lernen?

Bei Bildung geht es um Wissen und Lernen. Wichtig ist dabei zum Beispiel die Schule. In Deutschland gibt es verschiedene Schulen. Es gibt die Regel-Schulen – da können alle Kinder gemeinsam lernen. Und es gibt die Förder-Schulen. Dort sind nur Kinder mit Behinderungen. Deshalb sind Förder-Schulen keine Inklusion. Eine inklusive Schule würde bedeuten: Kinder mit und ohne Behinderungen lernen zusammen. 

Das steht in den Wahl-Programmen:

CDU/CSU: Die Union (so nennt man die beiden Parteien zusammen) möchte “für individuelle Bildungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen” sorgen. Das bedeutet für sie: Es soll inklusive Angebote geben. Aber auch Förder-Schulen sollen erhalten bleiben.

AfD: Die AfD will “Inklusion mit Augenmaß”. Das bedeutet: Für die AfD gibt es so etwas wie zu viel Inklusion. Die Förder-Schulen sollen erhalten bleiben. Sie möchte sogar, dass Schüler*innen mit Behinderungen wieder öfter Förder-Schulen besuchen. Die AfD ist also gegen Inklusion.

SPD: Im Kapitel Bildung kommt bei der SPD schulische Inklusion nicht vor.

Grüne: Die Grünen sprechen sich für ein inklusives Schul- und Ausbildungssystem aus; zur möglichen Abschaffung von Förderschulen äußern sie sich aber nicht. Sie möchten “barrierefreie Schulgebäude” und “mehr Stellen für Schulsozialarbeit, Schulpsychologie und Inklusion”.

Linke: Die Linke ist für “inklusives Lernen in allen Bildungseinrichtungen”. Sie möchte deshalb die Förder-Schulen verändern. Dafür will sie an allen  Regel-Schulen sonderpädagogisches Personal einstellen.

FDP: Die FDP fordert “ein inklusives Bildungssystem von der Kita bis zur Berufsausbildung”.  Alle Pädagog*innen sollen dafür auch lernen, wie sie Menschen mit Behinderungen unterrichten können. Aber: Die Förder-Schulen hält die FDP für “unverzichtbar”.

BSW: Das BSW hält „unterschiedliche Schultypen“ für „grundsätzlich sinnvoll“. Es soll also bei verschiedenen Schulen für verschiedene Kinder bleiben.

 2. Arbeit: Werkstätte beibehalten oder abschaffen?

Arbeit bedeutet, einen Job zu haben. Zum Beispiel als IT-Fachperson oder Bäckerin. Es gibt zwei Möglichkeiten: Arbeitsmarkt oder Werkstatt. Der Weg in die Werkstatt für behinderte Menschen wird leichter gemacht als der Weg in den Arbeitsmarkt. Und der Weg aus der Werkstatt funktioniert auch nicht so leicht. In Werkstätten gibt es oft nur ein geringes Taschengeld statt den Mindestlohn. 

Arbeit ist außerdem mehr als Geld verdienen. Arbeit ist auch Teilhabe am Leben. Auch wenn Arbeit manchmal nervt, ist es schön, eine zu haben, die Spaß macht. Wenn Menschen mit und ohne Behinderungen zusammenarbeiten, ist das Inklusion und Teilhabe. Aber was wollen die Parteien beim Thema Arbeit für Menschen mit Behinderungen verändern?

Das steht in den Wahl-Programmen: 

CDU/CSU: Die Union möchte Menschen mit Behinderungen “den Zugang zu Ausbildung und Arbeit” erleichtern. Sie wollen die Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt verbessern, aber auch in die Werkstätten. Werkstätten sollen also erhalten bleiben.

 

AfD: Die AfD möchte die Werkstätten erhalten. Sie will als Bezahlung in Werkstätten den Mindestlohn einführen. Über Inklusion in der Arbeit steht nichts im AfD-Programm.

 

SPD: Die SPD möchte “verstärkt fördern”, dass Menschen mit Behinderungen Jobs am allgemeinen Arbeitsmarkt bekommen. Und sie will “die Weiterentwicklung der Werkstätten für behinderte Menschen zügig umsetzen”. Wie genau sie das machen wollen, steht nicht im SPD-Programm. Sie schreibt nur, dass sie auch das Einkommen in den Werkstätten verbessern wollen.

 

Grüne: Die Grünen möchten das Werkstatt-System in Richtung “Inklusionsunternehmen” weiterentwickeln. In diesen Unternehmen sollen Menschen mit und ohne Behinderungen zusammenarbeiten. Alle sollen zumindest Mindestlohn und genug Unterstützung bekommen.

 

Linke: Die Linke möchte die “Arbeitswelt inklusiv machen”. Sie wollen Inklusionsbetriebe besser fördern und sich für einen Mindestlohn in Werkstätten einsetzen.

 

FDP: Die FDP möchte die Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt “durch praxisnahe Förderung und Arbeitsvermittlung” verbessern. Mehr steht dazu nicht im Wahl-Programm. Auch die Werkstätten werden ansonsten nicht erwähnt. Das Thema scheint der FDP also nicht so wichtig zu sein. 


BSW: Das BSW schreibt, dass es „mehr Anreize zur Schaffung barrierefreier Arbeitsplätze“ braucht. Wie genau sie Anreize schaffen wollen, schreiben sie nicht.

3. Barrierefreiheit: Informationen und Zugang für alle?

Barrierefreiheit bedeutet Zugänglichkeit. Zugang zu Informationen, zu Praxen von Ärzt*innen, zum Internet. Zugang zum Leben. Es gibt zum Beispiel zu wenige Informationen in einfacher Sprache oder Leichter Sprache.  Dabei brauchen ungefähr 14 Millionen Menschen in Deutschland einfachere Texte. Aber bei Wahlen und Behörden gibt es oft zu wenig Barrierefreiheit. Darüber haben wir hier schon einmal einen Text geschrieben. 

Auch die Barrierefreiheit, um in einen Raum zu kommen, wird oft vergessen. Im echten Leben und im Internet. Haben die Parteien in ihren Wahl-Programmen an das Thema Barrierefreiheit gedacht? 

Das steht in den Wahl-Programmen: 

CDU/CSU: Die Union möchte mehr Barrierefreiheit im Gesundheits-System und im öffentlichen Verkehr. Also bei Bus und Bahn. Sie möchten mit dem “Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen” weitermachen. 

 

AfD: Das Wort “Barrierefreiheit” kommt im Wahlprogramm von der AfD nicht vor.

 

SPD: Die SPD möchte ein “Bundeskompetenzzentrum für Leichte Sprache und Gebärdensprache einrichten”. Sie möchte außerdem “die Barrierefreiheit im privaten und im öffentlichen Bereich verbessern”. 

 

Grüne: Die Grünen wollen Barrierefreiheit “endlich in allen Bereichen”. Das betrifft zum Beispiel Gebäude und “öffentlich zugängliche Angebote und Dienstleistungen”. Die Grünen möchten eine Gruppe von Fach-Leuten für Inklusion einrichten, die mit Betroffenen “umfassende Vorschläge erarbeiten soll”. 

 

Linke: Die Linke möchte “Barrierefreiheit umfassend herstellen und (auch) die Privatwirtschaft dazu verpflichten”. Damit das klappt, sollen “verbindliche Regelungen” in Gesetze aufgenommen werden.

 

FDP: „Wir setzen uns für mehr Barrierefreiheit im öffentlichen Leben ein”, steht im Programm von der FDP.  Wie genau das aussehen soll, beschreiben sie aber nicht.


BSW: Das Wort “Barrierefreiheit” kommt im Wahl-Programm vom BSW nicht vor.

Wählen ist immer gut. Wählen ist ein Menschenrecht. Man kann damit mitentscheiden, wohin sich die Gesellschaft bewegt. Es ist wichtig, dass Menschen mit Behinderungen sich in die Politik einmischen. Denn es geht bei Politik um das Leben von allen Menschen – mit und ohne Behinderungen. Und es geht darum, eine selbstbestimmte Wahl zu treffen. 

Mehr Infos dazu

Möchtest Du auch wissen, was die Parteien zu anderen Themen sagen? Dann findest Du hier noch mehr Wahl-Infos von andererseits in einfacher Sprache: www.wahlchecker.de

 

Hier geht es außerdem zu den Wahl-Programmen in Leichter Sprache, die es gibt: 

Geschrieben Von

Arthur Hackenthal

und von

Mareice Kaiser

Redaktion

Lisa Kreutzer

und

Emilia Garbsch

Zeichnung

Dasha Zaichanka

Grafik Design

Gabriel Gschaider