Das Prinzip Dranbleiben

Lernen fällt jungen Menschen am leichtesten - die Annahme hält sich hartnäckig. Doch lebenslanges Lernen war nie so wichtig wie heute. Wie lernen Menschen bis ins hohe Alter?
lernen im alter

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Lernen fällt jungen Menschen am leichtesten – die Annahme hält sich hartnäckig. Doch lebenslanges Lernen war nie so wichtig wie heute. Wie lernen Menschen bis ins hohe Alter?

 

 

 

 

 

Von Artin Madjidi, unterstützt von Lisa Kreutzer

 

 

 

 

 

 

 

 

Wer heute einen Beruf erlernt, weiß: Die Arbeitswelt verändert sich schnell. Das, was man mal gelernt hat, reicht meistens nicht mehr für ein ganzes Berufsleben aus. Automaten und Roboter können schon heute schon viele Arbeiten, die früher Menschen gemacht haben, ersetzen. andererseits hat mit Menschen gesprochen, die sich immer wieder neu erfunden haben.

 

Für Greta Silver zählt vor allem das emotionale Lernen, also Lernen über Gefühle.

 

Sie erzählt:

 

»Für mich bedeutet lebenslanges Lernen sich die Neugier und die Begeisterungsfähigkeit zu bewahren. Ich habe erst vor zehn Jahren gelernt, dass in der deutschen Sprache das Wort Neugier negativ besetzt wird. Das finde ich komisch. Ich frage mich immer: Wie werde ich mich fühlen, wenn ich das mache? Und dann lasse ich mich gerne verführen.

 

Denn für mich bedeutet Lernen vorallem emotionales Lernen. Also darüber zu lernen, wie es einem gut geht. Körperliche Hygiene ist für die meisten Menschen ganz selbstverständlich, aber die seelische Hygiene, um die kümmern sich die meisten nicht. Ich glaube es mangelt den meisten nicht an Mitgefühl, sondern an Wissen. Ich denke, sich in andere und sich selbst einzufühlen ist im Leben besonders wichtig. Alles andere kann auch eine künstliche Intelligenz, also ein Computer oder Roboter. Aber die kennen keine Sehnsucht.

 

 

»In der deutschen Sprache ist das Wort Neugier negativ besetzt.«

 

Warum glaube ich das? Ich bin 74 Jahre alt und ich habe mein Leben lang gelernt. Ich habe mich oft neu erfunden. Seit zehn Jahren lade ich Videos auf Youtube hoch und schreibe Beststeller über Freude im Alter. Ich bin sozusagen eine Influencerin. Ich habe zwar ein Abitur, aber keine Ausbildung und kein Studium. Mit 48 Jahren habe ich mich als Ausstatterin selbstständig gemacht. Ehrlicherweise wusste ich gar nicht so genau wie das geht. Aber irgendwie habe ich es gut gemacht und viele Aufträge bekommen. Meiner Meinung war mein Nichtwissen da ein Riesenvorteil. Fachwissen ist zwar gut und schön – aber es begrenzt auch. Ich frage mich: Was bedeutet Erfahrung wirklich? 20 Jahre lang immer dasselbe gemacht zu haben oder richtig viele unterschiedliche Dinge gemacht zu haben? Meine Antwort darauf: Erfahrung bedeutet für mich immer wieder etwas Neues zu machen, nicht immer wieder diesselben Muster zu wiederholen.«

 

GRETA SILVER IST 74 JAHRE ALT. 

SIE MACHT YOUTUBE VIDEOS UND SCHREIBT BÜCHER.

WIE WIRD MAN MIT FREUDE ALT?

DARÜBER SCHREIBT SIE.

SIE SAGT: ES IST WICHTIG AUF GEFÜHLE ZU ACHTEN.

 

Etwas bei Google herausfinden, Whatsapp-Nachrichten schicken, oder Online-Banking. Aus vielen Bereichen des Alltags ist das Internet nicht mehr wegzudenken. Deshalb ist das Internet auch für ältere Menschen sehr wichtig. Forscher*innen nennen das “digitale Teilhabe.” Das heißt, alle Menschen sollen das Internet nutzen können. Auch Günter Steiniger wollte den Anschluss nicht verlieren, deshalb hat er mit über 80 Jahren alles neu gelernt. Er hat früher viel gelesen, heute nutzt er für neue Informationen nur noch das Internet. Um das zu lernen hat er einen Computer- und Internetkurs für Senior*innen in Wien besucht.

 

Günter Steiniger sagt:

 

 

»Das Internet ist das Allergrößte und Wichtigste, das ich seit meiner Pension gelernt habe. Heute kaufe ich mir keine Bücher oder Lexika mehr. Ich schaue alles im Internet nach.

 

Ich bin 84 Jahre alt, wurde in Wien geboren und habe fast mein ganzes Arbeitsleben als Elektrotechniker in einem Büro gearbeitet. Nach meiner Pensionierung wurde das Internet mein größtes Lernprojekt. Man muss sich vorstellen: Ich hab in der Volksschule noch mit Griffel und Schiffertafel, mit Schwämmchen geschrieben. Es hat sich so viel verändert.

 

Ich finde, es ist schwierig, nein eigentlich unmöglich, die Wahrheit im Internet herauszufinden. Also das Überprüfen von Informationen ist eines der größten Probleme. Ich kann gar nicht feststellen, was wahr ist und was nicht. Das einzige, was ich hilft? Mich fragen, ob ich der Quelle vertraue. Das sind der ORF, der Standard und ganz manchmal in den Kurier. Facebook oder Instagram hab ich aber nicht, ich will nur Neues herausfinden. In Kontakt bleibe ich lieber durch das Telefon.

 

»Ich finde es ist schwierig, nein unmöglich, die Wahrheit im Internet herauszufinden.«

 

Wenn ich zurückblicke, kann ich sagen: Ich habe in meinem Leben nichts Uninteressantes gelernt. Nur Englisch und Klavier war eine Qual. Lernen wird zur Qual, wenn man nicht weiterkommt. Aber alles Technische, das hat mich schon immer interessiert, das macht Spaß. Das Tollste, was ich je gelernt habe, war Aquarellmalen. Ich glaube, ich bin neugierig geboren. Das war einfach schon immer so.«

 

GÜNTER STEININGER IST 84 JAHRE ALT.

ER HAT GELERNT WIE ER DAS INTERNET NUTZEN KANN.

WAS IST WAHR IM INTERNET? 

WAS IST GELOGEN?

ER FINDET ES SCHWIERIG DAS ZU BEANTWORTEN.

ER VERTRAUT SEITEN IM INTERNET.

ZUM BEISPIEL ORF, STANDARD UND KURIER.

ER IST SEHR NEUGIERIG UND DAS LERNEN MACHT SPASS.

 

Die deutsche Forscherin Regina Egetenmeyer sagt, im Alter verändert sich vor allem die Art und Weise, wie Menschen lernen. Sie sagt, die Alten lernen langsamer, aber dafür effektiver. Zusätzlich sind junge Menschen noch sehr offen, in dem, was sie lernen. Alte Menschen, sagt die Forscherin, beschäftigen sich oft lieber mit Dingen, über die sie schon viel Vorwissen haben. Die Hamburgerin Elke Jensen hat schon immer Dinge entworfen, sie war Galeriebesitzerin in Hamburg und Lehrerin an der Akademie Mode und Design. Mit über 70 Jahren bündelte Jensen ihr Wissen und gründete ihr erstes Start-up.

 

 

Elke Jensen berichtet:

 

»Vor ein paar Jahren habe ich ein Problem erkannt – und die Lösung hatte ich parat. Das war für mich der Auslöser mit 70 Jahren mein erstes Unternehmen zu gründen. Ich habe eine Geh-Hilfe für Menschen erfunden, die durch das Altern schwächer werden. Aber im Gegensatz zu anderen Geh-Hilfen ist unsere auch ein schönes Produkt. Menschen werden älter, aber deswegen wollen sie noch lange nicht unsichtbar sein. Denn ich wusste von mir selbst: Das Gefühl für Schönheit ist nicht altersgebunden, sondern ein lebenslanges Sein. So ist der City-Daddy entstanden. 

 

»Schönheit ist nicht altersgebunden.«

 

Heute arbeite ich in einem Gemeinschaftsbüro in Hamburg, in dem ich die Älteste bin. Für mich ist es ganz wichtig altersübergreifend zu arbeiten, ich mag es nicht so gern, wenn die Generationen getrennt sind. Denn wenn alle gemeinsam arbeiten, da lernt man natürlich voneinander. Und ich lerne, weil ich Lust am Neuen habe. Aber je älter ich werde und je mehr ich weiß, desto mehr weiß ich natürlich auch was ich alles nicht weiß. Aber das Kreieren, also Neues Erfinden, war schon immer mein Antrieb.«

 

ELKE JENSEN IST 72 JAHRE ALT.

SIE HAT ETWAS ERFUNDEN.

EINE HILFE FÜR DAS GEHEN. 

SIE ARBEITET MIT VIELEN JUNGEN MENSCHEN ZUSAMMEN

SIE FINDET DAS GUT.

DENN ES LERNEN ALLE VONEINANDER.

 

 

 


 

Redaktion und Lektorat: Clara Porák

 

Grafik: Clara Sinnitsch

 

 

 

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