»Ein Grad klingt nach nicht viel«

Klimawandel-Forscher Daniel Huppmann über extreme Wetterereignisse, Bäume und warum es Pech und Glück zugleich ist, dass die Auswirkungen der Erderhitzung schon spürbar sind.
Daniel Huppmann lächelt in die Kamera. Neben ihm ist ein schmelzendes Eis abgebildet. Die Eiskugel sieht aus wie eine Erdkugel.

Interview von Artin Madjidi und Katharina Brunner mit
Daniel Huppmann.

Daniel Huppmann ist Wissenschaftler.

Er arbeitet am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse bei Wien.

In der Abteilung “Energie, Klima und Umwelt”.

Er forscht dazu, wie wir weltweit und auch in Österreich zur Klima-Neutralität kommen können.

Klima-Neutralität bedeutet: 

Wie können wir viel weniger CO2 ausstoßen? 

So wenig, dass das Klima davon nicht mehr beeinflusst wird?

Wichtige Worte in diesem Text

Emissionen sind zum Beispiel Stoffe, Gase oder auch Strahlen, die in unsere Umwelt ausgestossen werden. 

CO2-Emissionen führen dazu, dass sich die Erde erwärmt. 

CO2 ist auch ein Treibhaus-Gas.



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andererseits: Herr Huppmann, was ist überhaupt das Klima? 

Daniel Huppmann: Das ist der langjährige Durchschnitt des Wetters. Wenn ich 20 Jahre lang aus dem Fenster schaue, das aufzeichne und davon dann den Durchschnitt bilde. Das ist das Klima. 

In der Forschung gibt es dann noch die Diskussion, ob es besser 20 oder 40 Jahre sein sollen, von denen man den Durchschnitt bildet. Aber jedenfalls betrachtet man die Entwicklung über mehrere Jahrzehnte. 

andererseits: Und seit wann gibt es dann den Klimawandel? 

Huppmann: Den Klimawandel gibt es immer schon. Aber in den letzten 100 Jahren hat sich die Geschwindigkeit verändert. 

Und das ist ganz klar verbunden mit den menschengemachten CO2-Emissionen.
Man sieht in der Geschichte ganz eindeutig den Moment, als wir begonnen haben, viel Kohle und später Erdöl und Erdgas zu verbrennen. Ab dem Zeitpunkt sind die Emissionen nach oben gegangen. Und damit dann auch wie viel CO2 in der Atmosphäre ist. Und damit ist wiederum die weltweite Durchschnitts-Temperatur gestiegen. 

andererseits: Wir haben im Juli eine Dokumentation über die Flut im Ahrtal 2021 veröffentlicht. Wie hängen denn solche Extremwetter-Ereignisse und die Klimakrise zusammen?

Huppmann: Das ist eine sehr gute Frage. Vor etwa acht Jahren, war der Stand der Wissenschaft so: Es war nicht möglich, ein Extrem-Wetterereignis – wie zum Beispiel eine Überschwemmung oder eine Dürre – mit der Erhitzung in Verbindung zu bringen.

Hätte ich vor fünf Jahren gesagt, diese oder jene Überschwemmung ist wegen des Klimawandels passiert, wäre ich attackiert worden als “unwissenschaftlich”.

Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Heute beschäftigen sich Wissenschaftler:innen damit zu erforschen, ob ein Extremwetter dem Klimawandel zuzuordnen ist.

andererseits: Warum ist das heute möglich?

Huppmann: Das ist eine Folge daraus, dass die Auswirkungen immer schlimmer werden. Damit ist es dann viel leichter, statistisch die Auswirkungen zurückzuführen: Wenn es zum Beispiel viel mehr Hitzetage gibt, kann man damit eher Schlussfolgerungen ziehen.

andererseits: Und „statistisch“ bedeutet in dem Fall, dass man z. B. das Wetter, das man täglich draußen vor dem Fenster sieht, mit den Aufzeichnungen vergleicht, die jemand vor 20 oder 40 Jahren zur gleichen Jahreszeit gemacht hat?

Huppmann: Nein, hier vergleicht man Computer-Simulationen von sehr genauen Klima-Modellen. Das heißt: Man berechnet zuerst Tausende von Möglichkeiten einer Welt, in der die Treibhausgas-Emissionen so hoch sind wie heute. Dann berechnet man Tausende von Möglichkeiten, in denen es keine von uns Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen gibt. Und dann schaut man sich an, wie wahrscheinlich ein Hochwasser wie das im Ahrtal in beiden Fällen ist.

Wenn der Unterschied zwischen diesen Wahrscheinlichkeiten hoch ist, kann man die Schlussfolgerung ziehen: Die Erderhitzung hat dieses Ereignis wahrscheinlicher gemacht.

andererseits: Wie entstehen nun solche Fluten wie die im Ahrtal vor 2 Jahren?

Huppmann: Einerseits durch viel Regen. Was wir beobachten, ist, dass es erstens mehr Niederschlag in kürzerer Zeit gibt und zweitens mehr Niederschlag an einem Ort. Früher sind die Gewitter-Stürme, vereinfacht gesagt, übers Land drüber gezogen. In den letzten Jahren aber hängen die Gewitter immer öfter sehr lange über einer bestimmten Region. Dadurch fällt dann so viel Wasser, dass der Boden es nicht mehr aufnehmen kann, dass zum Beispiel auch die Kanalisation in den Städten das nicht mehr abtransportieren kann.

Und dann kommt es zu Überschwemmungen. Ein verstärkender Grund für Hochwasser ist auch die Versiegelung des Bodens – also dass wir gerade in Österreich das ganze Land zubetoniert haben. Wenn es stark regnet, kann das dazu führen, dass das Wasser nicht im Boden versickern kann, weil überall ein Parkplatz ist.

andererseits: Wie gehen wir am besten mit solchen Extremwettern um?

Huppmann: Es ist ganz wichtig, dass wir über die nächsten Jahre Resilienz aufbauen, vor allem in den Städten, denn die Städte werden die Hitzepole der Klimakrise.

andererseits: Was verstehen Sie unter Resilienz?

Huppmann: Widerstands-Fähigkeit.

andererseits Oder: Wenn man aus schlechten Erfahrungen lernt und dann später leichter schlimme Dinge aushält. Was könnten wir in diesem Sinne tun?

Huppmann: Wichtig wäre zum Beispiel in der Stadt: Bäume pflanzen. Das ist sinnvoll, weil Bäume die Hitze erträglicher machen. Und wenn dann plötzlich ein Gewitter sehr lange über Wien drüber steht, muss es mehr Fläche geben, die dann diese Niederschläge aufnehmen können, damit es nicht zu Überschwemmungen kommt. Ein Baum kann das Wasser versickern lassen. Im Moment funktioniert das leider schlecht, weil ein Baum braucht Platz und der Platz wird derzeit hauptsächlich für Parkplätze gebraucht.

andererseits: Warum wird da in den Städten nicht schneller etwas getan?

Huppmann: Es gibt da ein großes Problem in der Kommunikation. Wenn es nämlich heißt, die Durchschnittstemperatur steigt um ein Grad, klingt das nicht nach viel. Aber das bedeutet, dass es im Sommer in einer Stadt wie Wien vier Grad heißer wird – wie es jetzt schon der Fall ist. Statt 35 hat es dann 39 Grad. Da merken die Leute dann schon, dass es einen Unterschied gibt.

andererseits: Aber wird das wirklich auch in Österreich so ein Problem werden?
Huppmann: Gerade in Österreich ist die Klimakrise bereits eine Herausforderung. Österreich ist massiv von den Auswirkungen betroffen, wie wir im Sommer gesehen haben: einerseits Dürre und Hitzewellen in den Städten; dann wiederum lange Regenfälle, die zu Überschwemmungen geführt haben.

Wir sind auf diese Ereignisse nicht vorbereitet – wenn ein sogenanntes „Jahrhundert-Ereignis“ alle fünf bis zehn Jahre stattfindet, dann passt unsere Vorstellung nicht mehr zu dem, wie es wirklich ist.

Das wird eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft – und ganz besonders wird es eine Belastung für die Rettungsdienste und die Freiwilligen Feuerwehren, die in Österreich einen großen Teil des Katastrophenschutzes ehrenamtlich leisten.

andererseits: Danke für das Gespräch!

Unsere Doku über Katastrophenschutz für Menschen mit Behinderungen kannst Du hier ansehen: Zur Doku „Rette sich, wer kann.“

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