In Deutschland ist es ein Grund-Recht,
dass man wählen darf.
Grund-Rechte sind die wichtigsten Rechte,
die in Deutschland alle Menschen haben.
Aber für Menschen mit Beeinträchtigungen gibt es beim Wählen viele Hürden.
Nikolai Prodöhl erlebt solche Hürden.
Im Text erzählt er davon.
Mit 19 Jahren durfte ich zum ersten Mal wählen.
Ich war aufgeregt.
Ich habe am Empfang im Wahl-Raum
meinen Stimmzettel abgeholt.
Dann bin ich in die Wahl-Kabine gegangen.
In der Kabine habe ich Kreuze auf den
Stimm-Zettel gemacht.
Aber ich musste lange überlegen,
was ich ankreuzen möchte.
Ich kannte mich nicht gut aus.
Auf dem Stimm-Zettel standen
die Namen von vielen Parteien.
Eine Partei ist eine Gruppe,
die zusammen Politik machen will.
Die Menschen in einer Partei haben
oft eine ähnliche Meinung.
Ich kannte die Parteien nicht gut.
Ich wusste nicht,
welche Meinungen die Parteien haben.
Darum habe ich einfach die Partei gewählt,
die ich am nettesten fand.
Menschen mit Lernbehinderungen oder
Sprach-Behinderungen wählen nicht so oft.
Manche Menschen in Wohn-Heimen für
Menschen mit Beeinträchtigungen wählen noch weniger.
Ich finde Wählen wichtig.
Wählen bedeutet für mich:
Ich darf mitbestimmen,
wer in die Regierung kommt.
Aber es gibt beim Wählen viele Hürden
für Menschen mit Beeinträchtigungen.
Zum Beispiel:
Es gab fast keine Infos
über Politik in einfacher oder leichter Sprache.
Darum war die erste Wahl schwierig für mich.
Für Infos über Parteien gibt es in Deutschland
zum Beispiel den Wahl-O-Mat.
Das ist eine Internet-Seite,
mit der man sich auf eine Wahl vorbereiten kann.
Aber die Internet-Seite ist nicht in einfacher Sprache.
Ich habe die Internet-Seite nicht verstanden.
Die Parteien schreiben auch nicht in einfacher Sprache,
was sie machen wollen.
Der kostenlose Newsletter für alle, die Behinderung besser verstehen wollen!
Mehr als 10 Millionen Menschen in Deutschland brauchen einfache oder leichte Sprache.
Aber es gibt für sie wenig passende Infos über Politik.
Manche Menschen mit Beeinträchtigungen durften lange nicht wählen
Ich durfte immer wählen,
seit ich 18 Jahre alt war.
Das liegt daran, dass ich keine rechtliche Betreuung habe.
Eine rechtliche Betreuung ist ein Mensch,
der einen anderen Menschen bei wichtigen Sachen unterstützt.
Zum Beispiel:
- bei Geld-Sachen
- beim Wohnung-Mieten.
Es gab in Deutschland früher die Regel:
Menschen mit Beeinträchtigungen dürfen nicht wählen,
wenn sie eine rechtliche Betreuung haben.
Ungefähr 85 Tausend Menschen mit Beeinträchtigungen durften wegen der Regel früher nicht wählen.
2019 hat das Bundes-Verfassungs-Gericht entschieden:
Die Regel ist nicht in Ordnung.
Das Bundes-Verfassungs-Gericht ist das wichtigste Gericht in Deutschland.
In einem Gericht entscheiden Menschen,
was erlaubt ist und was nicht erlaubt ist.
Hürden in Wahl-Räumen und bei der Brief-Wahl
Wählen ist jetzt für alle Menschen mit Beeinträchtigungen erlaubt.
Aber es gibt beim Wählen immer noch viele Hürden.
Zum Beispiel:
Menschen mit Rollstuhl oder Geh-Behinderung kommen nicht in den Wahl-Raum.
Es gibt in Deutschland nicht die Regel,
dass die Wahl-Räume barriere-frei sein müssen.
Barriere-frei heißt: ohne Hürden.
Ich habe bei der Regierung gefragt,
warum es kein Recht auf barriere-freie Wahl-Räume gibt.
Die Antwort ist:
Man kann auch mit Brief-Wahl oder mit Hilfe von einem anderen Menschen wählen.
Brief-Wahl heißt:
Man bekommt den Stimm-Zettel mit der Post.
Dann macht man zuhause das Kreuz.
Und dann schickt man den Stimm-Zettel mit der Post zurück.
Ich finde aber:
Wahl-Räume sollen für alle sein!
Keine Regeln für Leichte Sprache beim Wählen
Ich habe einmal mit Brief-Wahl gewählt.
Aber das fand ich schwierig.
Es gibt mehrere Zettel und Brief-Umschläge.
Ich habe nicht gut verstanden,
welcher Zettel in welchen Umschlag gehört.
Die Stimm-Zettel sind nicht in Leichter Sprache erklärt.
In Deutschland kümmert sich die Bundes-Wahl-Leiterin um die Wahlen.
Ich habe sie gefragt:
- Bei welchen Wahlen gab es in den Wahl-Räumen Infos in Leichter Sprache, wie man wählt?
- Wo und wie kann man die Brief-Wahl in Leichter Sprache beantragen?
Die Bundes-Wahl-Leiterin sagt:
Die Wahl-Räume und die Infos über Brief-Wahl
werden in den Städten geregelt.
Jede Stadt kann selbst die Regeln dafür bestimmen.
Jede Stadt kann also entscheiden,
ob die Menschen in der Stadt ihr Grund-Recht auf Wählen ohne Hürden nutzen können.
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Geschrieben Von
Nikolai Prodöhl
Redaktion
Katharina Brunner
Mitarbeit
Cristina Helberg,
Maximilian Wilhelm
Leichter Sprache
Constanze Busch
Geprüft von
Luise Jäger
Grafik Design
Gabriel Gschaider