Unser Autor hat eine Behinderung. Unsere Gesellschaft schließt ihn deshalb immer wieder aus. Was sich ändern muss.
Ich stehe da und ich halte meine Hände über mir in die Luft. Ich habe ein weißes T-Shirt an und es läuft ganz laut das Lied: Don´t You Worry Child von Swedish House Mafia feat. John Martin. Ich fühle mich sehr gut und denke: Das könnte echt etwas werden. Es ist mein erster Auftritt als DJ.
Wenn die Menschen kommen, da merkt man wie sich die gute Laune auf sie auswirkt. Das ist wichtig, dann sehen die Leute wie eine Stimmung kippen kann vom Positiven ins Negative.
Warum ich DJ bin hat einen großen Grund: Ich möchte zeigen, dass man vor Menschen mit Behinderung keine Angst haben muss. Wir sind nur äußerlich ein bisschen anders, innerlich sind wir alle gleich. Ich weiß das, weil ich selber eine Behinderung habe. Ich bin 27 Jahre alt und lebe in Österreich und zwar in Wien.
Nach verschiedenen Tests und Untersuchungen wurde in meinem ersten Lebensjahr herausgefunden, dass ein Teil meines Kleinhirns zu klein ist. Die genaue Diagnose lautet Atrophie des culmen vermis (lateinisches Wort). Das äußert sich in meinem Balancegefühl, meiner Sprache und in meiner allgemeinen motorischen Kontrolle.
Ich mache deshalb sehr viele Therapien. Seit ich ein Jahr alt bin, mache ich Bobath-Physiotherapie und außerdem begann ich in meinem fünften Lebensjahr mit Hippotherapie und Logopädie, seit meinem achten Lebensjahr mache ich Unterwassertherapie. Mein großer Wunsch war es, einmal mit den Delphinen schwimmen zu können. Der Wiener Fußballverein (RSC Vienna) und andere Leute sammelten im Jahr 2002 Geld für mich. Damit konnte ich 2003 nach Florida zur Delphintherapie fahren. Es war ein wirklich tolles Erlebnis für mich und hat mir auch sehr geholfen, besser gehen und sprechen zu lernen.
Ich habe sehr viele Fortschritte gemacht und kann mittlerweile ohne Hilfe sehr gut frei gehen. Bei den Sommerlagern des Institut Keil, das ist eine Schule für Menschen mit Behinderung, habe ich gelernt, ganz ruhig zu stehen und meine Füße gerade auszurichten. Mit dem Rollator und dem Rollstuhl fahre ich schon lange nicht mehr.
Seit 2012 bin ich auch DJ und jetzt auch DJ Trainer. Ich war noch nie nervös, nur beim ersten Mal sehr gespannt wie es ankommt. Mein erster Auftritt war auf unserer eigenen Veranstaltung, die habe ich mit einem Bekannten organisiert. Sie heißt Firefly Allstars 2013 und war in der Sargfabrik. Wieso heißt sie so? Weil wir alle Stars sind und alle Stars auflegen, und bei jeden Kurs den wir absolvieren gibt es im Herbst immer eine Veranstaltung, die wir immer Allstars nennen. Da kamen viele Leute und sahen uns zu. Es war ein artenberaubend schönes Gefühl. Es war mir wichtig, dass nichts schief geht und alles so funktioniert wie wir uns das vorgestellt haben. Ich habe mir ein T-Shirt selber anfertigen lassen mit unseren Logo und Namen und noch meinen DJ Namen.
Die Leute lachen und tanzen und feiern mit uns mit, auch mit den Menschen mit Behinderung. Da geht ein positives Gefühl im Herzen auf.
Deshalb glaube ich, dass Menschen mit Behinderung überall mitmachen können. Leider ist das aber noch selten so. Wir werden oft ausgeschlossen.
Es gibt aber noch einen Grund, warum ich glaube, dass man vor Menschen mit Behinderung keine Berührungsängste haben muss: Jetzt wo sie mich kennen, haben die Menschen in meiner Arbeit gar keine Angst vor mir. Seit September 2010 habe ich eine integrative Lehrstelle als Versicherungskaufmann bei der Allianz Versicherung. Davor habe ich ein Praktikum bei Verkehrsverbund Ost Region VOR gemacht. Mit der Arbeit war es ein ganz freundlicher, positiver und netter Beginn. Alle waren immer sehr nett und hilfsbereit. Ich habe mich nie ausgeschlossen gefühlt, ganz im Gegenteil, die Kollegen/innen haben mich immer gut integriert und sehr positiv aufgenommen.
Ich besuche die Berufsschule in 1120 Wien, Längenfeldgasse, das ist die Hans Mandl Berufsschule. Bei der Allianz gefällt es mir nun ausgesprochen gut, ich habe ganz liebe Kollegen und Ausbildner und ich hoffe auf eine schöne Lehrzeit. Juni 2013 habe ich die Berufsschule positiv und erfolgreich abgeschlossen. Im Herbst folgt die Lehrabschlussprüfung (LAP). Die Lehre in der Schule war schon schwer, aber die Schule ist mir entgegengekommen mit dem Lehrplan und auch die Firma hat mir gestattet, dass eine Nachhilfe jede Woche für eine Stunde zu mir kommt.
Ich mag es sehr gerne bei der Allianz. Man muss sagen, dass ich in der Firma gleich 3 schönste Tage hatte: 1. Ich habe statt 4 Jahre für meine Lehre nur 3 gebraucht und gleich beim ersten Mal bestanden, 2. Nach bestandener LAP werden normalerweise die Lehrlinge mit Auszeichnung zum Plachutta eingeladen als Geschenk, aber bei mir hatten sie eine Ausnahme gemacht weil es für mich wie eine Auszeichnung war hatten sie mich auch eingeladen 3. war der allerbeste Tag, das war die Übernahme in die Allianz Familie. Ich darf weiter dort arbeiten.
Ich bin also hauptberuflich bei der Allianz und nebenberuflich bin ich DJ. Mittlerweile bringe ich auch anderen Menschen mit Behinderung bei, wie es ist DJ zu sein. Das ist mir sehr wichtig, weil ich ihnen lerne wie man mit den Geräten umgeht, wie man Übergänge macht und welche Lieder gut zusammenpassen. Ich sage zu ihnen: Lass dich nicht unterkriegen und schaue immer nach vorne und gebe dein bestes, denn nur du kennst dich am besten und man kann nie auslernen.
Musik ist eine Therapie und man vergisst alle seine Sorgen wie bei jedem Sport und es ist ein guter Ausgleich für den Alltag. Ich liebe einfach die Musik, weil ich mit der Musik seit meiner Geburt aufgewachsen bin im Jahre 1992, das war auch eines der besten Musikjahre. Da sind die besten Hits rausgekommen wie Dr. Alban – It’s My Life, Mr. President Coco Jamboo, Britney Spears – …Baby One More Time, usw. Man muss einfach die Musik von den ganzen Jahren vergleichen, dann stellt man gleich den unterschied fest, dass das die beste Musik war – die aus den 90´ern.
Ich bin stolz, dass ich im Leben so weit gekommen bin und ich mir alles an meinem DJ- Wissen mit den Geräten erlernt habe, ohne von wem was erklärt zu bekommen. Ich habe mir das selber beigebracht, weil mich das auch schon immer sehr interessiert hat. Ich wünsche mir, dass die Menschen checken, dass wir gleich sind wie andere Menschen, nur äußerlich verschieden sind. Ich wünsche mir das die Menschen endlich begreifen, dass Menschen mit Behinderung gleichgestellt werden mit den anderen Menschen und dass man mit uns auch Spaß haben kann und wir uns gegenseitig helfen können.
Jedes Mal wenn ich auf einer Bühne stehe, muss ich denken: Es freut mich, dass ich die Leute zum Tanzen bringe, dass sie auf der Tanzfläche die ganze Zeit bleiben, gute Partystimmung mache (gelingt mir immer sehr gut) und dann mit einem Lächeln und positiven Gedanken heim gehen.
Text: Sebastian Gruber, unterstützt von Clara Porak
Foto: Sebastian Gruber