Hand in Hand gegen Hitze

In unserer Reihe “Mehr als nur schön warm” haben wir gezeigt, wie Hitze Menschen mit Behinderungen und Erkrankungen gefährdet und herausgefunden, dass es kaum politische Lösungen gibt, um das zu ändern. Die Menschen müssen sich selbst und gegenseitig helfen. In diesem vierten und letzten Text fragen wir: Wie geht das?
Illustriation: 2 Personen schwitzen über ihnen die Sonne. Hinter ihnen ein Wegweise, der Richtung Schatten, Wasser und Arzt zeigt

In unserer Reihe “Mehr als nur schön warm” haben wir gezeigt, wie Hitze Menschen mit Behinderungen und Erkrankungen gefährdet und herausgefunden, dass es kaum politische Lösungen gibt, um das zu ändern. Die Menschen müssen sich selbst und gegenseitig helfen. In diesem vierten und letzten Text fragen wir: Wie geht das?

Sich mehr als unbedingt notwendig bewegen? Undenkbar. Sich gemütlich in den Garten setzen? Viel zu anstrengend. Sabine, 59 Jahre, kann sich kaum bewegen. So geht es ihr aber nicht immer, sondern nur wenn es über 30 Grad hat. “Aufstehen und bewegen fallen mir bei zunehmender Hitze schwerer”, erzählt sie. Jede Art von körperlicher Anstrengung vermeidet sie so gut es geht.

Sabine lebt im deutschen Singen. Seit letztem Jahr sitzt Sabine im Rollstuhl. Grund ist die Krankheit Multiple Sklerose (MS). So wie 80% aller MS-Patient:innen hat sie das Uthoff-Phänomen. Das verstärkt ihre Beschwerden bei zunehmender Hitze. Obwohl sie viel alleine schafft, braucht Sabine manchmal Hilfe. Doch sie lebt alleine und ihre Familie in einem anderen Ort. Sie hat eine Wohnung im Erdgeschoss. Ein Garten ist mit dabei. Aber alleine kommt sie dort nicht hin. Vor allem, wenn es heiß ist.

Risiko-Gruppen sind in der Hitze stark vorbelastet. Das zeigten bereits die ersten drei Texte dieser Reihe “Mehr als nur schön warm”. Im ersten haben wir erklärt, wie Hitze Barrieren schafft. Im zweiten, warum Menschen mit Behinderungen besonders von Hitze betroffen sind. Im dritten haben wir nach politischen Lösungen gefragt und festgestellt: Die Politik hat zu spät erkannt, wie gefährlich Hitze ist. Sie hinkt mit ihren Maßnahmen hinterher. Deshalb finden viele Menschen Wege sich selbst und gegenseitig zu helfen. Aber wie geht das?

Zum Beispiel mit Nachbarschaftshilfe. Dabei hilft man seinen Nachbar*innen freiwillig: Zum Beispiel kauft eine Person für die Frau, die über ihr wohnt, ein. Oder hilft, die Blumen zu gießen. Nachbarschaftshilfe kann aber auch heißen bei älteren Nachbar*innen vorbeizuschauen und zu fragen, ob sie etwas trinken wollen. Das hat Andreas Lachner-Zenker vom Roten Kreuz Wien im zweiten Text erklärt. Dass wir mehr aufeinander achten, kann Leben retten: Im Wiener Hitzeaktionsplan sagt Klima-Mediziner Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien: “Oft erkennen wir erst, wenn jemand unbemerkt stirbt, dass ein Nachbar vielleicht unsere Hilfe benötigt hätte.”

Freiwillig ist nicht selbstverständlich

Die Hilfe von außen, die Sabine bekommt, ist freiwillig. Eine junge Frau bringt Sabine zum Beispiel zum Frisör. Eine andere Dame aus ihrer Freikirche schaut nach ihr. “Die wohnt bei mir im Ort und kommt ab und zu vorbei und guckt, ob alles in Ordnung ist”, erzählt Sabine. Sie hat zwar eine Haushaltshilfe, aber keine Pflegekraft. Sie ist also auch auf diese Hilfe angewiesen. Vor allem im Sommer bei extremer Hitze.

Das deutsche Bundesministerium für Gesundheit sieht in seinem Hitzeschutzplan auch den Schutz gefährdeter Gruppen vor, für Menschen wie Sabine. Darin kommen Menschen mit Behinderungen wörtlich vor. Der Hitzeschutz soll in Deutschland auch Angebote schaffen, die die Nachbarschaftshilfe in Deutschland stärken. Der österreichische Hitzeschutzplan tut das nicht. Dafür aber der Wiener Hitzeaktionsplan. Hans-Peter Hutter sagt in diesem Aktionsplan: Durch Nachbarschaftshilfe kann man gefährdete Gruppen erreichen. Mehr dazu kannst du in Text 3 lesen.

Aber: Für viele Menschen ist Nachbarschaftshilfe nicht selbstverständlich. Rund die Hälfte der Befragten gab in einer deutschlandweiten Umfrage aus 2023 an, dass sie kaum auf die hitze-gefährdete Personen in ihrem Umfeld achteten. Wenig Zeit, keine Lust, Vergessen und keinen Zugang: Das waren ihre Gründe.

Für Sophie ist das anders. Die 25-Jährige kam vor ein paar Jahren nach Wien, um dort zu studieren. Heute wohnt sie in einer WG. An einem heißen Tag im Juni begegnet sie ihrer Nachbarin. Sie ist mit ihrem Hund Gassi. Die Mittagssonne strahlt auf den grauen Beton. Die Sonne heizt die umliegenden Gebäude und die Straße vor Sophies Wohnung richtig auf. Und Sophie bemerkt: Der Frau geht es schlecht. Langsam geht Sophie auf die ältere Dame zu. Es ist ihre Nachbarin Elisabeth. „Soll ich morgen Mittag statt Ihnen Gassi gehen?”, fragt Sophie. Erleichtert schaut die Dame sie an und sagt: “Das wäre super. Ich schaffe es kaum noch, wenn es so heiß ist.” An diesem Tag hat es draußen mehr als 30°C.

Für manche ist es lebenswichtig, dass sie jemand wie Sophie in der Hitze unterstützt. Das Buch “Gesundheit in der Klimakrise” rät, demente Personen zum Beispiel ans Trinken zu erinnern. Bei psychisch kranken Personen kann man hingegen darauf achten, dass sie auch ihre Medikamente nehmen. Mehr dazu liest du in Text 2. Viele Personen wie Sophies Nachbarin Elisabeth sollten bei hohen Temperaturen gar nicht erst rausgehen. Das ist zu anstrengend für sie.

Was kann man machen?

Unsere Recherche in dieser Serie hat gezeigt: Die Politik hat diese Entwicklung verpasst und vor allem vulnerable Menschen sind so in Gefahr. Was also tun? Lena, die du in unserem ersten Text kennengelernt hast, leidet an Long Covid und sagt: Ihr helfen Freund*innen dabei, sie daran zu erinnern, ihren Körper zu kühlen – wegen ihrer Krankheit vergisst sie nämlich schnell Dinge. Nachbarschaftshilfe geht also auch am Handy.

Linda aus dem zweiten Text dieser Reihe schreibt: „Mir hilft es, wenn Einkäufe für mich erledigt werden, ich zum Arzt gefahren werde oder mir jemand in der abgedunkelten Wohnung Gesellschaft leistet.” Vielen ist es wichtig, dass sie die Wohnung nicht verlassen müssen. Manche freuen sich schon, wenn man ihnen etwas zu trinken oder zu essen bringt.

Hitzeschutz für alle: Was ist die Lösung?

In den letzten vier Texten wollten wir zeigen, dass Hitzeschutz, der alle Menschen erreicht, auch für alle wichtig ist. Hitze kann eine zusätzliche Belastung für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen sein. Und am Ende geht es allen besser, wenn mehr Menschen vom Hitzeschutz mitbedacht werden. Denn krank werden kann jede*r. Älter werden wir auch. Zu gefährdeten Personen können wir daher alle im Laufe des Lebens werden, egal, ob nur vorübergehend oder langfristig.

Auch wenn wir uns durch abgedunkelte Räume, luftiger Kleidung und kühler Räume, aber auch Nachbarschaftshilfe Abhilfe schaffen können, reicht das noch lange nicht. Das haben wir in Text 3 erklärt.

Einzelpersonen sind nicht für den Hitzeschutz zuständig. Die Politik verschläft ihre Pflicht, in der Klimakrise genug Schutz zu garantieren. Und: Ein wirklicher Schutz gegen die Folgen der Klimakrise ist Nachbarschaftshilfe nicht. In den nächsten Jahren werden Hitzeperioden in Europa länger und kommen öfter vor, sagt das Institut Geosphere Austria, das zum Wetter forscht. Es gibt also immer mehr Zeiten, in denen es sehr heiß ist. Nachbarschaftshilfe ist eine Anpassungs-Maßnahme. Sie hilft mit dem Klimawandel umzugehen.

“Man darf nicht sagen, wir passen uns nur an den Klimawandel an und der Klimaschutz ist uns egal, sondern es läuft Hand in Hand”, sagt Stadtklimatologe Simon Tschannett von Weatherpark. Er berät unter anderem Architekten, Städte und Gemeinden, um zu schauen, wie man einen Ort an das Klima anpassen kann. Ein Schwerpunkt ist die Hitze. Es braucht radikalen Klimaschutz, damit sich die Erde nicht weiter erhitzt, sagt er. “Ansonsten werden die Auswirkungen so groß, dass anpassen schwierig wird.”

Der diesjährige Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) empfiehlt ebenfalls radikale Maßnahmen. Das bedeutet vor allem CO2-Emmissionen einzusparen, um zu verhindern, dass sich die Erde durch den Menschen ungehindert weiter aufheizt. Passiert das nicht, könnte es schlimme Folgen für die Umwelt haben. Und auch die besten Hitzeschutz-Maßnahmen sind dann sinnlos.

Redaktion: Lisa Kreutzer, Clara Porak

Lektorat: Claudia Burnar

Illustration Lisa-Marie Lehner

Übersetzung in Leichte Sprache: Constanze Busch

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