Der Text in Leichter Sprache steht in den gelben Kästen.
Der niederländische Uni-Professor Clemens Kaupa hat vergangenes Jahr eine Beschwerde
gegen eine Werbekampagne zum CO₂-Ausgleich eingebracht. Und er hat gewonnen. Er
sagt, diese Ausgleiche sind irreführend. Was bringen sie – außer einem guten Gewissen?
Worum geht es im Text?
Es geht um das Unternehmen Shell.
Das spricht man: Schell.
Das Unternehmen Shell verkauft Benzin.
Benzin ist schlecht für die Natur.
Shell hat in einer Werbung gesagt:
Unser Benzin ist nicht schlecht für die Natur.
Clemens Kaupa ist Lehrer an einer Uni.
Clemens Kaupa findet:
Die Werbung von Shell ist schlecht.
Shell sagt in der Werbung nicht die Wahrheit.
Clemens hat sich über die Werbung beschwert.
Artin Madjidi: Du bist eigentlich Professor für Europarecht an der Freien Universität
Amsterdam. Dann hast du eine Beschwerde gegen die Werbung von Shell eingereicht.
Warum?
Clemens Kaupa: Vor ein paar Jahren bin ich in Amsterdam aus der U-Bahn am Hauptbahnhof
gestiegen. Und da war alles voll mit Werbungen von Shell. Der Slogan der Kampagne lautete:
“Mit so wenig CO₂ wie möglich durch Europa reisen”. Gemeint war das Folgende: Als
Autofahrer*in kann man an der Shell-Tankstelle nach dem Tanken CO₂-Ausgleichsabgaben
zahlen. Pro Liter zahlt man einen Cent CO2-Ausgleich. Damit soll der Ausstoß der Autos
ausgeglichen werden. Es ist aber nicht wissenschaftlich belegt, dass diese Ausgleiche funktionieren. Niemand kann
garantieren, dass diese Bäume, die als Ausgleich gepflanzt werden, langfristig dabei helfen,
dass CO₂ vermindert wird. Was passiert zum Beispiel, wenn der Wald brennt?Das CO2, das
wir auspusten, verzeiht die Umwelt nicht. Niemand kann versichern, dass das CO2 wieder
ausgeglichen wird.Das Geschäft Shell hat aber so getan, als ob es doch eine Versicherung
gäbe. Es hat sich als umweltfreundlich dargestellt. Mich hat das gestört. Ich habe mir
gedacht: Wenn jetzt, mitten in der Klimakrise, eines der größten Öl- und Gasunternehmen
noch immer ungestraft sowas öffentlich plakatieren kann, dann ist das ein Problem.
Das Geschäft Shell wirbt mit CO2-Ausgleich.
Sie sagen, dass man CO2-neutral Auto fahren kann.
Clemens Kaupa hat sich über diese Werbung beschwert.
Warum findet Clemens die Werbung von Shell schlecht?
Viele Autos fahren mit Benzin.
In den Abgasen von den Autos ist viel CO2.
Wenn viel CO2 in der Luft ist,
wird es auf der Erde immer wärmer.
Das nennt man auch:
Klima-Wandel.
Klima-Wandel ist schlecht für die Natur.
Das Unternehmen Shell verkauft Benzin.
Shell hat in der Werbung gesagt:
Wir pflanzen viele neue Bäume.
Die Bäume nehmen das CO2 aus der Luft.
Dann ist das CO2 vom Benzin nicht so schlimm.
Das nennt man auch: CO2-Ausgleich.
Clemens sagt:
CO2 ist immer schlecht für das Klima.
Neue Bäume helfen nicht immer gegen CO2.
Vielleicht verbrennen die Bäume.
Dann helfen sie nicht.
Shell kann den CO2-Ausgleich nicht versprechen.
Shell sagt in der Werbung nicht die Wahrheit.
Artin: Warum ist das ein Problem?
Clemens: Wir wissen, dass Öl-, Gas- und Kohleverbrauch das Klima bedroht. Und damit die
Zukunft von uns allen. Aber Werbungen dieser Art erwecken den Eindruck, dass es völlig
normal ist, im 21. Jahrhundert Öl und Gas zu verkaufen. Wir wissen aber, dass es nicht
normal ist. Wir wissen, dass es aufhören sollte, dass wir Öl und Gas verbrennen. Und da
entsteht dann in unseren eigenen Gehirnen ein Konflikt zwischen dem, was wir wissen und
dem, was uns die Werbung glauben lassen will.
Artin: Wie lief die Beschwerde ab?
Clemens: Meine Studierenden und ich haben von mehreren Organisationen, unter anderem
von Greenpeace, den Auftrag bekommen, eine Beschwerde gegen eine Werbekampagne
einzureichen, die mit CO₂-Ausgleich wirbt. Wir haben uns dann für eine Shell-Kampagne
entschieden. Die Beschwerde ging an eine holländische Werbe-Behörde, so etwas ähnliches
wie der Werberat in Österreich. Das ist kein echtes Gericht, aber trotzdem wichtig. In der
Werbung von Shell hat es so gewirkt als könnte man CO₂-neutral Auto fahren. Das stimmt
nicht. Es ist unmöglich, CO₂-neutral mit einem benzinbetriebenen Auto zu fahren. Auch
nicht, wenn man CO₂-Abgaben bezahlt. Deswegen haben wir eine 120-seitige Beschwerde
eingereicht. Und bekamen recht.
Clemens Kaupa sagt, im 21. Jahrhundert sollte kein Gas- und Öl mehr verkauft werden.
Weil die Erde so nicht behandelt werden sollte.
Shell hat damit geworben, dass sie durch CO2-Ausgleich die Auto-Ausstösse auf 0 bringen.
Deswegen hat Clemens Kaupa sich bei einer Werbe-Behörde in Holland beschwert.
Was hat Clemens gemacht?
Clemens hat sich über die Werbung beschwert.
Die Werbe-Behörde von Holland kümmert sich darum,
wenn Menschen sich über Werbung beschweren.
Die Werbe-Behörde hat gesagt:
Clemens hat Recht.
Shell soll keine Werbung über CO2-Ausgleich machen.
Artin: Wie ging es weiter?
Clemens: Shell hat das Urteil ignoriert. Sie haben nur einen Satz auf der Website geändert.
Anstatt mit der Ausgleichszahlung CO₂ zu “neutralisieren” verwenden sie jetzt den Slogan
“CO₂ kompensieren”. Das ist der Slogan, der auch in Österreich verwendet wird. Dagegen
haben wir uns wieder beschwert. Sie behaupten, dass CO₂ durch das Pflanzen von Bäumen
ausgeglichen wird. Das stimmt aber nicht. Es gibt keine Garantie, dass das CO₂ wirklich
kompensiert wird. Also haben wir uns Anfang dieses Jahres im Jänner nochmal beschwert.
Die Beschwerde haben wir auch gewonnen. Und jetzt hat Shell gesagt, dass sie nochmal vor
Gericht ziehen. Das nennt sich Berufung. Und wir haben wieder gewonnen. In Österreich gibt
es diese Werbung übrigens auch.
Artin: Das heißt, die Kampagne, die in Holland als irreführend gilt, läuft in Österreich noch.
Wie kann denn das sein?
Clemens: Die Regeln, die angewendet werden, sind eigentlich überall ähnlich. Ob in
Österreich, in Holland oder Kanada. Wenn ein Unternehmen Werbung macht, dann muss
diese Werbung zumindest faktisch stimmen. Sie muss wahr sein. Wenn das nicht garantiert
ist, dann ist die Werbung irreführend. Im Wesentlichen heißt das, dass das, was in Holland
gesagt worden ist, auch in Österreich gelten müsste. Das tut es aber nicht. In Österreich
kann der Konzern weiterhin damit werben, dass CO₂ ausgeglichen wird, obwohl das gleiche
in Holland verboten wurde.
Was hat Shell gemacht?
Shell hat nicht auf die Werbe-Behörde gehört.
Shell hat immer noch Werbung über CO2-Ausgleich gemacht.
Shell hat nur ein Wort in der Werbung geändert.
Clemens hat gesagt:
Die Werbung ist immer noch schlecht.
Die Werbung sagt nicht die Wahrheit.
Clemens hat sich nochmal beschwert.
Die Werbe-Behörde hat nochmal gesagt:
Clemens hat Recht.
Shell soll keine Werbung über CO2-Ausgleich machen.
Shell macht die Werbung in Holland nicht mehr.
Aber Shell macht die Werbung noch in Österreich.
Warum?
Die Werbe-Behörde von Holland entscheidet nur für Holland.
In Österreich gibt es auch eine Behörde.
Die Behörde heißt: Werbe-Rat.
Darf Shell in Österreich Werbung über CO2-Ausgleich machen?
Das hat der Werbe-Rat noch nicht entschieden.
Artin: Was machen solche Werbungen mit uns als Menschen?
Clemens: Solche Werbungen machen viele Leute wütend oder verzweifelt. Man weiß zwar,
dass das Problem der Klimakrise da ist. Man weiß auch, was der Grund dafür ist. Nämlich,
dass wir Kohle, Gas und Öl verbrennen. Aber irgendwie wissen wir nicht, wie wir dagegen
angehen sollen.
Artin: Wenn ich CO2-Ausgleiche bezahle, habe ich das Gefühl, dass ich etwas dagegen tuen
kann. Dann habe ich ein besseres Gefühl. Aber Sie sagen, dass die gar nichts bringen.
Warum?
Clemens: Vielleicht kann man das aus zwei Blickwinkeln sehen. Die eine ist der Blickwinkel
der Menschen, die Kompensationen zahlen. Und die andere Sache ist, was deren Effekt ist.
Viele Menschen wollen etwas gegen die Klimakrise machen und wollen auch persönlich
Schritte setzen. Alleine klimafreundlich sein ist schwer, wenn die ganze Gesellschaft
klimaschädlich ist. Die Menschen sagen sich: Wenn ich meine Ausstöße nicht reduzieren
kann, dann kann ich sie zumindest ausgleichen. Und Bäume pflanzen klingt ja dann auch so
schön romantisch. Man möchte helfen und etwas Gutes tun für die Umwelt. Das kann ich
verstehen.
Artin: Das klingt ja erstmal nicht schelcht. Was ist der zweite Blickwinkel?
Clemens: Ob die Ausgleichs-Bescheinigungen, die am Markt sind, diesen Wunsch auch
erfüllen, das ist eine völlig andere Frage. Es stimmt nämlich nicht, dass das Pflanzen vieler
Bäume schon zu einer gewissen Verringerung der Ausstösse führt. Das ist irreführend.
Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Produkten, die angeboten werden. Also die
Ausgleichs-Bescheinigungen, die man über Fluglinien bekommt, sind etwa dann auch noch
sehr billig. Dass dann die Ausgleiche für einen Flug von Wien nach Amsterdam 2 € kosten –
das ist völlig absurd.
Es gibt schon auch Organisationen, die viel teurere Ausgleiche anbieten und auch streng
kontrollieren und schauen, dass dieses Geld gut ankommt. Aber letztendlich würde ich
sagen: Hände weg von Ausgleichen.
Artin: Aber was kann man denn sonst tun?
Clemens: Vor ein paar Jahren ist es mir damit nicht gut gegangen. Ich habe mir gedacht: Das
macht doch alles keinen Sinn, wenn die CO2-Ausstösse jedes Jahr erneut steigen! Vielen
Menschen geht es so wie mir und sie reagieren darauf, indem sie sich zurück ziehen oder
gefühllos werden. Die Alternative dazu ist, dass man versucht etwas zu verändern. Und die
Möglichkeit, die ich gesehen habe, war, mich gegen diese Werbung von Shell zu beschweren.
Warum finden manche Menschen CO2-Ausgleich gut?
Clemens sagt:
Viele Menschen wollen etwas für die Natur machen.
Die Menschen bezahlen für CO2-Ausgleich.
Zum Beispiel:
Die Menschen kaufen Benzin für das Auto.
Sie bezahlen das Benzin.
Und sie bezahlen noch mehr Geld.
Das Geld ist für den CO2-Ausgleich.
Zum Beispiel für neue Bäume.
Die Bäume sollen CO2 aus der Luft nehmen.
Clemens sagt:
Die Menschen fühlen sich wegen dem CO2-Ausgleich besser.
Aber der CO2-Ausgleich hilft der Natur nicht.
CO2-Ausgleich ist eine schlechte Idee.Was kann man für die Natur tun?
Clemens sagt:
Menschen sollen wenig Auto fahren
oder mit dem Flugzeug fliegen.
Dann gibt es weniger CO2.
Und Menschen können sagen:
Ich will schlechte Sachen verändern.
Zum Beispiel:
Clemens hat sich über die Werbung von Shell beschwert.
Freiwilliger CO₂-Ausgleich heißt, dass Privatpersonen und Unternehmen ihren eigenen
Ausstoß an klimaschädlichen Gasen ausgleichen. Indem sie sogenannte CO₂-Bescheinigungen
für den Klimaschutz kaufen. Diese sollen denTreibhausgas-Ausstoß reduzieren, zum Beispiel
durch mehr Solarstrom, Wind- und Wasserkraft.
Freiwilliger CO₂-Ausgleich heißt, dass Privatpersonen und Unternehmen ihren eigenen
Ausstoß an klimaschädlichen Gasen ausgleichen. Indem sie sogenannte CO₂-Bescheinigungen
für den Klimaschutz kaufen. Diese sollen denTreibhausgas-Ausstoß reduzieren, zum Beispiel
durch mehr Solarstrom, Wind- und Wasserkraft.
18,4 Prozent der Menschen in Österreich haben eine Behinderung, doch es gibt kaum Journalist:innen mit (intellektueller) Behinderung.
andererseits ist das erste österreichische Medium, bei dem Menschen mit und ohne Behinderung gleichberechtigt zusammenarbeiten.
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Grafik: Clara Sinnitsch
Foto: Vrije Universiteit Amsterdam, Artin Madjidi
Redaktion: Patricia Käfer, Clara Porak
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