Darum geht es im Text:
Im Sommer ist es oft sehr heiß.
Viele Menschen mögen das nicht.
Die Hitze ist für manche Menschen sogar gefährlich.
Zum Beispiel:
- für Menschen mit Behinderung
- für kleine Kinder
- für Schwangere.
Manchmal werden sie krank, wenn es heiß ist.
Es ist heiß, wahnsinnig heiß. Das Handy zeigt über 30 Grad an und Lena steht irgendwo an einem Platz im Norden von Wien. Es fühlt sich an, als würde ihr ganzer Körper brennen. Alles ist warm und sie hat Schmerzen. Ihr Kopf tut unfassbar weh. Sie ist müde. Es ist kaum aushaltbar. Eigentlich müsste jetzt überall auf ihrer Haut Schweiß zu finden sein, denn damit kühlt sich der Körper an heißen Tagen ab. Aber Lena schwitzt nicht. Ihr Körper hat aufgehört zu schwitzen. Der Puls wird immer schneller. Was Lena jetzt wirklich dringend brauchen würde, ist Schatten und viel Wasser, aber vor ihr sieht sie nur noch mehr Sonne und Beton.
Das passiert Lena, 37, sobald es sehr heiß ist. Dadurch überhitzt sie und das ist gefährlich. Sowas nennt sich Hitzestau. Eigentlich kann das jeder Person passieren. Aber seit Lena an einer Post-Covid-Erkrankung und dem Chronischen-Müdigkeitssyndrom leidet, passiert ihr das schneller. Die Krankheit hat verändert, wie belastbar ihr Körper ist. Das zeigt sich auch darin, wie sie die Temperaturen wahrnimmt. Denn die Körper von Menschen wie der ihre können stark auf extreme Temperaturen reagieren. Das steht im Kanadischen Konsensdokument, nach dem die Krankheit häufig diagnostiziert wird. „Seit meiner Erkrankung fühlt sich alles 10 Grad heißer an als es ist. Ab 26 Grad wird es schlimm und alles über 30 Grad ist echt schwer aushaltbar“, sagt sie.
Lenas Geschichte zeigt, dass Hitze nicht nur schön, sondern auch eine Gefahr für die Gesundheit sein kann. Wer ist von den heißen Temperaturen gefährdet? Warum trifft es manche Menschen mehr als andere? Wie kann es sein, dass Hitze zur Barriere im Leben werden kann? Und wie können wir uns schützen?
Warnungen für heiße Tage gibt es zu Beginn von Hitzewellen. Die finden statt, wenn es an drei oder mehr Tagen über 30 Grad hat.
Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) sagt, dass in den Jahren 1961 bis 1990 drei bis zwölf Hitzetage im Jahr normal waren. Laut Statistik Austria gab es im Jahr 2022 bereits zwischen 17 und 36 Hitzetage. Sowohl die Anzahl der Hitzetage, als auch die Temperaturen nehmen zu. Diese Entwicklung soll in den nächsten Jahrzehnten noch ansteigen. Das liegt an dem Klimawandel. Damit meint man, dass die Abgase, die zum Beispiel von Autos, Flugzeugen oder Fabriken produziert werden, in die Luft kommen und sich dadurch die Erde erwärmt.
Helga Kromp-Kolb ist eine österreichische Klimaforscherin.
Sie sagt: “Es klingt zwar nicht nach viel, aber die Temperatur ist weltweit um 1,2 Grad angestiegen.”
In Österreich sogar um 2,7 Grad und in Wien sogar um fast drei Grad.”
Durch ihre Erkrankung trifft Lena die Hitze noch stärker als andere. Sie gehört daher zu den gefährdeten Gruppen. Genauso wie Evelyn. Die 46-Jährige hat Glasknochen, ist 112 Zentimeter groß und nutzt einen Rollstuhl. Eigentlich liebt sie die Wärme, ihren Glasknochen tut das gut. Aber aufgrund ihrer Kleinwüchsigkeit und ihrer doppelt gekrümmten Wirbelsäule ist es für sie an heißen Tagen viel schwieriger, genug Luft zu bekommen. Ihre Lunge hat nicht so viel Platz.
Sie sagt: „Ich muss auch ein Korsett tragen, damit ich überhaupt aufrecht sitzen kann und ein Korsett verstärkt die Hitze. Besonders wenn ich dann auch noch ein Unterhemd drunter tragen muss.” Dann sei es egal, wie luftig das Sommerkleid darüber ist, sagt sie.
Evelyn hat das Gefühl, dass der Sommer besonders heuer auf sich warten ließ: „Aber wenn es dann warm ist, geht das sehr schnell, da hat der Körper dann keine Zeit sich an die Temperaturen anzupassen.”
Hitze bedeutet für den menschlichen Körper viel Arbeit, vor allem für das Herz. Der Körper muss sich umstellen, damit die eigene Körpertemperatur nicht zu heiß wird.
“Dazu muss man schwitzen und das Verdunsten von Schweiß kühlt den Körper.” erklärt Klimaforscherin Kromp-Kolb. Je feuchter die Umgebung, desto schwieriger sei das. Ab einem gewissen Punkt stößt der Körper an Grenzen und kann die Wärme nicht mehr abbauen. Das kann tödlich enden.
Manche Personen erreichen diesen Punkt schneller. Daher nennt man sie vulnerable Gruppen. Sie sind besonders gefährdet. Dazu gehören auch viele Menschen mit Behinderungen. Aber die Bevölkerungsgruppe ist noch größer, denn es zählen auch alte Menschen, Babys, Obdachlose, Schwangere, Kinder und Menschen, die im Freien arbeiten dazu. Alle diese Menschen brauchen mehr Schutz vor der Hitze als andere. Dabei sind sie oft auf andere Personen angewiesen.
Schwitzen ist der wichtigste Kühlvorgang des Menschen. Genau dieses Schwitzen ist für einige, wie Lena, ein Problem. Für andere führt das Gefühl des eigenen Schweißes auf der Haut zur Reizüberflutung.
So geht es auch Victoria. Im Gespräch mit andererseits sitzt sie in ihrem kühlen Keller, der auch gleichzeitig ihr Büro ist. Im Sommer verbringt sie ihre Zeit fast nur dort. Sie ist 35 Jahre alt und hat das Asperger-Syndrom. Das ist eine Form von Autismus.
Wenn ihre Haut aufgrund von Schweiß aneinander klebt, überfordert sie das stark. Es sind zusätzliche Reize, die ihr Gehirn nur schwer verarbeiten kann. Die Reize sind so stark, dass sie aus ihren Aufgaben herausgerissen werden kann. Konzentration ist dann nicht mehr möglich. Das liegt daran, dass Reize in dem Gehirn von Menschen, die autistisch sind, anders verarbeitet werden, als von neurotypischen Menschen.
Victoria versucht dann, die vielen Reize zu verarbeiten. „Ich muss mich sehr konzentrieren, um alle Reize bewältigen zu können”. Die Hitze würde das aber noch verschlimmern, weil ihr Kopf dann länger brauche, um alles zu verarbeiten. Deswegen könne es auch passieren, sagt Victoria, dass sie so vertieft in eine Aufgabe ist, dass sie stundenlang vergesse zu trinken. Das führe dann zu Kreislauf-Problemen. „Beim Konzentrieren vergesse ich oft auf das Trinken, das strengt meinen Kreislauf mehr an. Dann höre ich mein Herz so laut klopfen, dass ich nichts anderes wahrnehme.“
Die Erfahrungen von Lena, Evelyn und Victoria zeigen, wie Hitze die Gesundheit und die Lebensqualität einschränkt. Das tut sie bei jeder Person anders. Der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter erklärt: “Jede Risiko-Gruppe hat eine Vorbelastung und ist durch die Hitze zusätzlich belastet. Je nach Intensität und Dauer der Hitze ist das aber unterschiedlich. Sie haben eine schlechtere Ausgangsposition.” Er erklärt auch, dass allgemeine Ratschläge wie baden gehen hier nicht helfen würden. Allein, weil das für viele Personen gar nicht möglich sei, wenn die Schwierigkeit alleine schon darin besteht, das Haus zu verlassen.
So unterschiedlich die Sichtweisen der drei auch sind, eines haben sie dennoch gemeinsam: Ihre Sorge über die Zukunft. „Ich habe schon ein bisschen Angst davor, weil es mich und andere einfach voll einschränkt und man an heißen Tagen nicht mehr rausgehen kann“, meint Lena. Evelyn erzählt von einem Freund mit Behinderung, der im Sommer aus gesundheitlichen Gründen einfach gar nicht aus seiner klimatisierten Wohnung gehen kann. Victoria sagt, sie habe in ihrer Wohnanlage viel Glück, aber viele andere haben nicht dieselben Bedingungen wie sie.
Im zweiten Text dieser Reihe gehen wir genauer auf das Thema Gesundheit und Hitze ein, denn zu hohe Temperaturen können lebensgefährlich sein. Was sagen also Mediziner*innen und die Wissenschaft dazu? Das lest Ihr dann nächste Woche.
Du hast die Umfrage verpasst oder möchtest noch gerne etwas zu dem Thema sagen? Wir würden uns über eine Mail von Dir wirklich sehr freuen! Schreib uns gerne, wie es Dir während der Hitzewellen geht! Uns erreichst Du unter [email protected]
Redaktion: Lisa Kreutzer, Clara Porak
Lektorat: Claudia Burnar
Illustration: Lisa-Marie Lehner
Freitagmorgen mit andererseits
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