Cover des Magazins: Behinderungen am Arbeitsmarkt. Österreichs Irrweg

Österreichs Irrweg

23. November 2023

In Österreich müssen größere Arbeitgeber·innen Menschen mit Behinderungen anstellen. Das nennt man Beschäftigungs-Pflicht. Sie steht im Behinderten-Einstellungs-Gesetz. andererseits und DOSSIER machen erstmals öffentlich, welche Firmen und Organisationen Menschen mit Behinderungen anstellen und welche nicht. Die Recherche zeigt: Österreichs Politik und Arbeitgeber·innen versagen bei der Inklusion.

Wenn Du oder Deine Familienmitglieder keine Behinderungen haben, geht es Dir vielleicht wie mir. Lange habe ich geglaubt: Das ist alles ein großer Zufall. Dass ich zu keinem meiner Geburtstage eine·n Freund·in mit Behinderung eingeladen habe. Dass Menschen mit Behinderungen in keiner Klasse mit mir waren, in keinem Verein. Dass ich niemanden kannte, den ich überhaupt hätte einladen können. Dass es zwar rund 1,4 Millionen Menschen mit Behinderungen in Österreich gibt, aber Menschen ohne Behinderungen in ihrem Alltag fast nie mit ihnen in Kontakt kommen.

Doch seit mittlerweile zwei Jahren arbeite ich bei andererseits inklusiv. Das heißt gemeinsam und auf Augenhöhe mit Menschen mit Behinderungen. Ich habe gelernt, auf Bedürfnisse zu achten. Dabei habe ich auch meine eigenen Bedürfnisse kennengelernt. Ich habe gemerkt: Dass das davor nie so war, das ist kein Zufall, es ist ein System. Ein System, das Menschen mit und ohne Behinderungen voneinander trennt.

Zu diesem System haben wir gemeinsam mit unseren wunderbaren Kolleg*innen von DOSSIER recherchiert. Inklusiv und investigativ.

Denn DOSSIER betreibt investigativen Journalismus. Das heißt: Themen, die sonst im Verborgenen bleiben, werden gründlich recherchiert und Missstände aufgezeigt. Wir bei andererseits arbeiten inklusiv – wir schaffen also ein Umfeld, in dem Menschen mit und ohne Behinderungen journalistisch zusammenarbeiten.

Inklusiv und investigativ

Wir haben Teams gebildet. 28 Personen unserer beiden Medien haben gemeinsam recherchiert, geschrieben und gestaltet.

Für uns war es eine großartige Erfahrung. Denn unser Ziel ist es, fehlende Perspektiven in den Journalismus zu bringen.

Mein Traum wäre: Einen Journalismus, in dem es andererseits nicht mehr braucht. Weil es selbstverständlich ist, dass Medien Menschen mit Behinderungen beschäftigen und ein inklusives Arbeits-Umfeld schaffen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, aber diese Kooperation ist ein erster Schritt.

Denn erstmals haben wir mit einem anderen Medium zusammengearbeitet, das sich komplett darauf eingelassen hat, auch inklusiv zu arbeiten. Erstmals hat ein anderes Medium in Österreich ein so großes Recherche-Projekt inklusiv umgesetzt.

Ein halbes Jahr lang haben sich die Redakteur*innen von DOSSIER mit Barrierefreiheit und Inklusion auseinandergesetzt. Wir haben dabei viel gelernt, neue Lösungen gefunden, an manchen Stellen sind alle Beteiligten Kompromisse eingegangen. Entstanden ist ein gemeinsamer Journalismus, der so im deutschsprachigen Raum noch nie da war.

Die Redaktion über die Zusammenarbeit

“Ich habe für diese Recherche erstmals inklusiv gearbeitet. Das war für mich extrem bereichernd”, sagt Sahel Zarinfard von DOSSIER. “Die Zusammenarbeit war leichtfüßig und hat gut funktioniert. Ich habe gedacht, dass es eine große Umstellung sein wird. Stattdessen war es so, dass ohne den Kollegen von andererseits der Kontakt zu den Betroffenen viel schwieriger gewesen wäre.”

Ihr Kollege Georg Eckelsberger sagt: ”Ich habe nicht nur inhaltlich sehr viel gelernt, sondern vor allem auch über das inklusive Arbeiten. Man schafft dabei Bedingungen, damit alle mitmachen können. Erst wenn man sich darum bemüht, fällt einem auf: Wir arbeiten oft unter stressigen Bedingungen und nehmen dabei nicht viel Rücksicht aufeinander. Ich bin überzeugt, dass alle etwas von inklusiver Arbeit haben.”

Im Gegenzug haben wir uns auf die Arbeitsweisen von DOSSIER eingelassen. Wir haben viel gelernt über investigatives Arbeiten, über Abläufe und Fakten-Checks. “Ich fand die Arbeit und die Recherche auch sehr spannend. Weil ich auch auf Informationen gestoßen bin, die ich so nicht gekannt habe”, sagt unser Redakteur David Tritscher. “Zum Beispiel, was die Rechte von Menschen in Werkstätten betrifft und wie das wirklich abläuft in so einer Struktur.”

“Wenn ich inklusiv mit jemandem arbeite, dann sagt die Person oft, so schlimm war das nicht”, sagt unser Redakteur Nikolai Prodöhl. Vielleicht war sie unsicher, ob das gut klappt. Aber ich habe das Gefühl, dass die Person danach erleichtert ist und auch etwas dabei gelernt hat. Das baut Barrieren ab.”

Das Beste aus beiden Welten

Zwei Redaktionen, zwei Zugänge. Und ein gemeinsames Projekt, in dem wir versuchen, das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Denn nur mit unserem gemeinsamen Wissen und Erfahrungen konnten wir zu einem großen Missstand recherchieren.

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