Jutta M.
Jutta, 38, war alleinerziehend und arm in Österreich. Heute engagiert sie sich in einem Verein für Alleinerziehende.
Oswald Föllerer
Oswald Föllerer, 68, lebt mit Lernschwierigkeiten und tritt für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein.
Oswald Föllerer
Oswald Föllerer, 68, lebt mit Lernschwierigkeiten und tritt für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein.
Simon INOU
Simon INOU ist Journalist, Herausgeber von blackaustria.info, Leiter der Abteilung für öffentliche Angelegenheiten bei Radio ORANGE 94.0, dem größten Community Radio im deutschsprachigen Raum.
andererseits: Wir sprechen über Wohlstand und Armut – woran denkst Du dabei als erstes?
Simon INOU:
Eigentlich denke ich sofort an meine Mama in Kamerun. Obwohl sie 40 Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet hat, bekommt sie keine Pension. Dass sie wenig Geld hat, ist für sie ein großes Thema geworden. Meine Geschwister, meine hiesige Familie und ich müssen sie jetzt unterstützen. Einerseits ist es sehr schön, unterstützen zu können. Gleichzeitig ist es extrem belastend. Für das Unterstützen der Familie im Herkunftsland reicht ein gewöhnliches Gehalt nicht. Zusatzverdienste sind immer eine große Hilfe.
Oswald Föllerer:
Ich denke daran, dass Menschen in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen kein Gehalt bekommen. Ich habe selbst 30 Jahre lang in einer solchen Werkstatt in Wien gearbeitet. Neben Sozialleistungen wie Mindestsicherung oder Familienbeihilfe – bekommt man dort lediglich ein “Taschengeld”. Menschen, die dort arbeiten, bekommen also keinen richtigen Lohn. Sie haben keine Pensionsversicherung. Klassische Arbeitsrechte können sie nicht einfordern.
Jutta M:
Ich denke daran, dass Menschen ihre Grundbedürfnisse decken können sollten, ohne überlastet zu werden. Die Verbindung zwischen Armut und Überlastung fällt oft unter den Tisch. Man versucht, mit Zusatzaufgaben irgendwie noch mehr Geld zu bekommen. Aber die Armut schwebt immer im Hinterkopf: Was ist, wenn meine Waschmaschine kaputt geht? Was ist, wenn ich krank werde? Es sind ständige Existenzängste.
andererseits: Was bedeutet Wohlstand für Dich?
Jutta M:
Für mich heißt es „wohlhabend“ zu sein, wenn man sparen und für sein Alter vorsorgen kann. Wenn man sich kleine Dinge einfach erlauben kann. Ich sehe das so, weil ich in Armut gelebt habe. Das unterscheidet sich vielleicht ein wenig von dem, was die Gesamtbevölkerung unter wohlhabend versteht: Reich sein, ein großes Haus haben.
Oswald Föllerer:
Für mich bedeutet es Unabhängigkeit. Menschen mit Behinderungen, die in einer Werkstatt arbeiten, haben keine Möglichkeit, sich ein Vermögen aufzubauen. Sie bekommen Hilfeleistungen. Bei der Mindestsicherung darf man seit diesem Jahr 6.321,84 € an Ersparnissen besitzen, Sobald du mehr hast, wird dir das Geld weggenommen. Wenn du im Monat mehr als 140 Euro zuverdienst, wird es dir von deiner Sozialhilfe gestrichen. Wie soll man da sparen? Wie soll man unabhängig leben?
Simon INOU:
Für mich heißt wohlhabend sein, dass ich mich in meiner Arbeit entfalten kann, dass ich in einer Gemeinschaft von Menschen umgeben bin, mit denen ich mich wohlfühle aber auch über wichtige Themen austauschen kann. Bei mir ist wohlhabend sein, nicht nur eine Frage des Geldes sondern eher auch eine Frage der Menschen in meiner Umgebung. Nach der südafrikanischen UBUNTU Lebensweisheit „Ich bin, weil wir sind“.
andererseits: Vermögen ist laut einer aktuellen Studie der Boston Consulting Group in Österreich sehr ungleich verteilt – was läuft da schief?
Oswald Föllerer:
Bei Menschen mit Behinderungen ist das glaube ich so: Mein Gefühl ist, die Politik schaut – wenn überhaupt – nur auf sichtbare Behinderungen, aber nicht auf unsichtbare Behinderungen. Siehst du mir an, dass ich Lernschwierigkeiten habe? Sieht man psychische Einschränkungen? Wir müssen als Gesellschaft akzeptieren, dass es Menschen wie mich gibt. Und den Leuten die Unterstützung geben, die sie brauchen.
Simon INOU:
Wir Migrant*innen schicken Geld nach Hause. Aber es sind die ehemaligen Kolonialmächte, die dieses Geld verwalten. Die ehemaligen Kolonien sind auch heute nicht unabhängig. Ihre Währung hängt von internationalen Währungen ab. Ihre Wirtschaft hängt vom internationalen Handel ab. Institutionen wie die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds machen diese Länder arm. Über solche Sachen wollen Politiker*innen nicht reden, sondern nur über Entwicklungszusammenarbeit. Die Entwicklungszusammenarbeit für afrikanische Länder existiert seit mehr als 60 Jahren und hat nichts verändert. Das heißt: irgendwas läuft da schief.
Jutta M.:
Das sind politische Entscheidungen. Aus meiner Sicht sollte Care-Arbeit bezahlt werden. Da kann man verschiedene Modelle anwenden, ein Umlage-Modell, Familienlastenausgleich oder eine Millionärssteuer zum Beispiel.
Du möchtest mehr erfahren? Lies die Interviews mit Oswald Föllerer, Simon Inou und Jutta M., indem Du auf ihre Namen klickst.
Wie findest Du dieses Format – wir freuen uns über Deine Rückmeldung an: [email protected]
Redaktion: Lisa Kreutzer, Patricia McAllister-Käfer
Lektorat: Patricia McAllister-Käfer
Fotos: Stefan Fürtbauer